Erster Nachtrag: Turbulenzen im jungkonservativen Lager. Die AfD als "Staubsauger" und "Kantenschere"?
Der vorstehende Artikel wurde, wie eingangs erwähnt, im Oktober 2013 abgeschlossen, daher im Folgenden einige Ergänzungen zu neueren Entwicklungen im jungkonservativen Lager der Neuen Rechten. Das bisher relativ erfolgreiche Auftreten der AfD in der politischen Landschaft der Bundesrepublik Deutschland hat zu einer Debatte geführt, in deren Verlauf gegensätzliche Positionen artikuliert wurden. Personelle Veränderungen hängen damit offensichtlich zusammen. Karlheinz Weißmann, die intellektuelle Führungsfigur im jungkonservativen Lager, ist aus der Redaktion der Sezession, der Zeitschrift des Instituts für Staatspolitik ausgeschieden. Auch auf dem Blog Sezession im Netz (SiN) wird er nicht mehr als Autor geführt. In ihrer Ausgabe vom 20. Juni 2014 verkündete die JF das Ausscheiden Karlheinz Weißmanns aus dem Institut für Staatspolitik: "Der Historiker hatte Ende April seine Tätigkeit als Wissenschaftlicher Leiter des IfS sowie seine Mitarbeit an der Sezession beendet. Zur Begründung teilte er mit, es sei mit den anderen Verantwortlichen keine Einigung über die Ausgestaltung der weiteren Arbeit erzielt worden." (JF 26/2014, S. 14)
Im Kern geht es um die Haltung zur AfD und um die Frage, ob und, wenn ja, in welchem Ausmaß die AfD unterstützt werden kann und soll. Theoretisch gesprochen: Es geht um das ›rechte‹ Verständnis von Realund Metapolitik. Zur Debatte steht aber auch das Verhältnis zwischen IfS und der Jungen Freiheit, die sich für die AfD von Anfang an publizistisch engagiert hat. – Im Folgenden werden die kontroversen Positionen der jungkonservativen Protagonisten zur AfD skizziert.
Das Verhältnis zur AfD
Dieter Stein begründete in einem Gesprächsbeitrag für ein Sonderheft der Sezession ("Alternativen für Deutschland", Mai 2013) die publizistische Unterstützung für das AfD-Projekt damit, dass die AfD das "Thema der verantwortungslosen Euro-Rettung" und damit verbunden "die endgültige Schleifung der nationalen Souveränität" in das "Zentrum der Debatte" gerückt habe; zudem betonte er, dass es bei aller gebotenen Vorsicht gegenüber der weiteren Entwicklung der AfD "von übergeordnetem Interesse" sei, das "Monopol[ ] der CDU" zu brechen (Stein 2013, S. 19).
Als ›Morgengabe‹ einer gedeihlichen Zusammenarbeit verfasste Stein einen programmatischen Text "Für eine neue Nation" (JF 41/2013, S. 18), der eigentlich auf die Auseinandersetzungen in der Deutschen Burschenschaft (DB) gemünzt war, [1] zweifellos aber auch die Bedürfnisse der AfD im Blick hatte, insofern er sich auf die seiner Meinung nach liberalen, freiheitlichen Traditionen der DB berief und für einen "erneuerten Volkstumsbegriff" warb. Denn nach fünfzig Jahren Einwanderung habe "sich das Bild Deutschlands gewandelt". Es sei daher "realitätsfremd", "an einem engherzigen volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff festzuhalten, der integrationswillige Einwanderer und Kinder von solchen" ausschließe.
Gegenüber so viel realpolitisch motivierter Flexibilität waren bereits vor Erscheinen dieses Artikels Stimmen aus dem IfS laut geworden, die die publizistische Unterstützungsarbeit der JF mit Skepsis und Kritik bedachten (siehe vorstehenden Artikel). Im Oktober dann sagte die JF ihren Stand auf dem vom IfS veranstalteten Vernetzungstreffen, dem zum zweiten Mal stattfindenden Zwischentag, ab. Dieter Stein ließ seinen Mitarbeiter Henning Hoffgaard (JF 42/2013, S. 18) ›mitteilen‹, dass eine breitere politische Aufstellung der Messe erwünscht sei, vorausgesetzt, es komme
"zu einer selbstkritischen Auseinandersetzung über ›rechte‹ Positionen". Angespielt wurde damit zum einen auf den (angekündigten) Auftritt des "italienischen Publizisten und Vordenkers des neofaschistischen Projekts Casa Pound", Gabriele Adinolfi, von dem Hoffgaard zu berichten wusste, dass ihm die Verwicklung in den Anschlag von Bologna (1980) angelastet werde; zum anderen auf einen (nicht angekündigten) Redebeitrag des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der neonationalsozialistischen Partei Jobbik, Márton Gyöngyösi, der – so Hoffgaard – "in der Vergangenheit vor allem durch seine als antisemitisch kritisierte Reden auf sich aufmerksam gemacht" habe. Im Jahr 2012 habe er gefordert. "Juden, die für den ungarischen Staat arbeiten, registrieren zu lassen", später sich dafür entschuldigt: "Er habe damit nur ungarische Juden mit einer israelischen Staatsangehörigkeit gemeint."
Die von der JF erhobene Forderung nach einer selbstkritischen Besinnung knüpfte zweifellos an ihre sorgsam gepflegten Abgrenzungsbemühungen gegenüber der NPD an, ebenso wie an ihre Kritik an der Zweckmäßigkeit des Begriffs "Neue Rechte" (wobei letztere, wie im vorstehenden Artikel angesprochen, nie ein Grund war für die Aufkündigung der Zusammenarbeit mit dem IfS). Götz Kubitschek freilich nahm die Forderung vor dem Hintergrund der vorhin beschriebenen Vorgeschichte ziemlich grundsätzlich, beschwerte sich über die seiner Meinung nach einseitige und falsche Fixierung des JF-Artikels auf "die Enttarnung des fragwürdigen ausländischen Besuchs" und rückte ihn im Rahmen eines Textvergleichs in die Nähe der Berichterstattung der Berliner Zeitung und der Jungle World (SiN 06. 10. 2013). In der daran anknüpfenden Diskussion stellte er die polemische Frage: "wer ist partner, wer gegner, wer egal?"
Dieses Misstrauensvotum an die Adresse der JF speiste sich aus einer Überlegung, die Kubitschek an früherer Stelle geäußert hat. Im Vorwort zu dem bereits erwähnten Sonderheft der Sezession entwickelte er folgende Problemsicht: Zunächst gewann er dem AfD-Kurs der JF Positives ab, insofern es sich "bei der AfD um eine Ausweitung der Kampfzone und um die Öffnung eines zusätzlichen Resonanzraums" handele. Zugleich aber, so die Warnung, sei dies "die Zementierung einer Mauer", will sagen:
"Wer jetzt nicht mit dabei ist, sondern von rechts kritisiert, ist gründlicher außen vor als bisher. Denn er ist selbst an diese Bewegung nicht mehr anschlußfähig. Insofern käme der AfD im System des Machterhalts und des Elitenwechsels der Mitte die Rolle des Staubsaugers und zugleich der Kantenschere zu." (Kubitschek 2013, S. 1)
- [1] In diesen Auseinandersetzungen ging es zum einen um die geschichtspolitische Bewertung des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus, speziell um die Rolle Stauffenbergs als "Landesverräter" oder Vorbild; zum anderen um die "Aufnahme eines Deutsch-Asiaten in eine Burschenschaft" (Stein, JF 41, 2013, S. 18). Steins Intervention verfolgte auch parteipolitische Ziele, warnte er doch davor, dass sich die DB mit ihrer bisherigen ›starren‹ Haltung in eine "rechts-reaktionäre Ecke" manövriere, so dass ihr nur noch die "rechtsradikale NPD" als "parlamentarischer Anknüpfungspunkt" bliebe.
- [2] Steins Ausführungen knüpfen an das JF-offi e "Manifest für die Zukunft Deutschlands im
21. Jahrhundert" (JF 42/2012: 3) an, das von dem Burschenschaftler Michael Paulwitz verfasst wurde. Vgl. auch dessen Artikel "Eine deutsche Differenzierung. Der volksbezogene Nationsbegriff" (JF 49/2012, S. 22). – Mittlerweile hat Stein seinen eigenen Beitrag zum Ausgangspunkt eines Buches gemacht (vgl. Stein 2014).