Heterogenität und Ungleichheit in der Erziehungswissenschaft

Differenzlinien und ihre stetige (Re)produktion in sozialen Praktiken stellen zentrale Themenfelder der Erziehungswissenschaft dar . Seit den 1980er Jahren des vergangenen Jahrhunderts lässt sich eine verstärkte Hinwendung zu dieser Thematik feststellen . Mecheril und Plößer (2009) sprechen in diesem Zusammenhang von der „erziehungswissenschaftlichen Entdeckung der Differenz“ (S . 5) . Es lassen sich unterschiedliche Deutungen zu Differenz innerhalb erziehungswissenschaftlicher Handlungsfelder entfalten . Nach Prengel (2005) umfasst der Begriff der Heterogenität drei inhaltliche Ebenen: Verschiedenheit, Veränderlichkeit, Unbestimmtheit . Das führe zu einer Abgrenzung von statischen Differenzkonstruktionen und betone eine Haltung der egalitären Differenz (ebd ., S . 20f .) . Heite (2010) sieht die zunehmende Verwendung der Begriffe Heterogenität und Differenz kritisch . Sie versteht eine pädagogische Anerkennung von Differenzen als die Akzeptanz von Ungleichheiten: „Gemeint ist dann nämlich weniger die Aufhebung von (sozialstruktureller) Ungleichheit und die Gegenmaßnahme materieller Umverteilung, weniger die skeptische Frage, warum welche Differenzen hergestellt werden und weniger deren Abschaffung als Abschaffung von Ungleichheit“ (ebd ., S . 188) . Theoretische Diskurse und Pädagogiken richten den Blick auf „Unterschiede, die einen Unterschied machen“ (Bateson 1982, S . 123) . Diese aus der Systemtheorie stammende Formulierung passt sehr wohl auf konstruierte Differenzlinien, da sie machtvolle Unterscheidungen hervorbringen: Geschlecht, Ethnie, Religion, Alter, sexuelle Orientierung, formaler Bildungshintergrund . Differenz muss demnach unter Berücksichtigung von Machtverhältnissen und Ungleichheiten betrachtet werden (Mecheril und Plößer 2009, S . 194f) . So wird eine Konnotation des Ungleichheitsbegriff und der strukturellen Benachteiligung mitgedacht und in den Fokus gerückt . Nach Hradil (2005) wird unter dem Konzept der sozialen Ungleichheit eine ungleiche Verteilung ‚wertvoller Güter' oder gesellschaftlich relevanten Kapitals verstanden, welche die Benachteiligungen bereits implizieren (ebd ., S . 27ff .) . Der formale Bildungsgrad kann auf den ersten Blick ein ursächlicher Faktor dieser Verteilungsmechanismen sein . Schulerfolg und Schulmisserfolg sind u . a . durch habituelle Praktiken und familiale Sozialisation bedingt, welche auch grundlegend für anerkannte Medienpraktiken sind . Daraus resultiert die Wirkmächtigkeit sozialer Differenzen, welche mediale Alltagspraktiken umgeben . (Kutscher 2009) . Folgt man dieser Argumentationslinie, wird deutlich, dass es aus medienpädagogischer Perspektive wenig Sinn macht, jugendliches Medienhandeln weiter auszudifferenzieren, da es sich stetig um eine Verkürzung sozialer Realität handelt . Vielmehr erscheint es sinnvoll, Rahmenbedingungen und die in den jeweiligen Lebenslagen erforderlichen Medienkompetenzen in den Blick zu nehmen, die das Medienhandeln prägen . Um zu verdeutlichen, wieso eine Unterteilung in erwünschte und unerwünschte Fähigkeiten im Umgang mit Medien aus pädagogischer Perspektive kritisch zu hinterfragen ist, soll ein Blick in die Debatte um Anerkennung von Heterogenität innerhalb der Schulpädagogik geworfen werden . Bezüglich der schulischen Bildung stellt sich das wechselseitige Spannungsfeld zwischen Individualität und gesellschaftlicher Normativität tagtäglich in einer verschärften Variante dar . Prengel wirft vor diesem Hintergrund zugespitzt die Frage auf: „Was ist wichtiger: Kinder und Jugendliche in ihrer persönlichen Heterogenität anzuerkennen und Freiräume für ihre individuelle Kreativität zu eröffnen? – Oder: Kindern und Jugendlichen definierte Anforderungen und hierarchisierende Bewertungen zuzumuten und sie in der Fähigkeit, ihre demokratische Chancengleichheit zu nutzen und in den hierarchisierenden Wettstreit um bessere Leistungen einzutreten, anzuerkennen?“ (Prengel 2013, S . 207) . Auf das Feld der Medienpädagogik übertragen, lässt sich die Frage nach der Ambiguität von Medienkompetenz herausarbeiten . Gemeint ist eine Ambiguität, die ermöglicht, das Konzept je nach Situation und Bedarf zu füllen und die unterschiedlichen Varianten der Förderung von Medienkompetenz gleichwertig zu verorten . Daraus kann eine situationsbezogene Förderung von Medienkompetenzen entstehen, die eine pädagogische Intervention zwischen der Anerkennung individueller Medienumgangsweisen und der Auseinandersetzung mit Fertigkeiten entlang normativer Erweiterungen (Wissen über Datenschutz; Beherrschung standardisierter Softwareprogramme) erlaubt .

An dieser Stelle sollen zur Verortung von Subjektivierungsformen und Machtverhältnissen die cultural studies mit ihren theoretischen Überlegungen und empirischen Studien herangezogen werden .

 
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