Konklusion: Zum Verhältnis von medialem und medienerzieherischem Habitus
Aus den ausgeführten Darlegungen lässt sich resümierend schlussfolgern, dass dem medialen Habitus der Eltern in Bezug auf den medienerzieherischen Habitus eine Schlüsselrolle zukommt, da der mediale Habitus als begrenzendes Element wirkt:
In Abhängigkeit davon, welche medialen Kenntnisse und Erfahrungen sowie welche Vorstellungen und Beurteilungen mit dem Medium Computerspiel verknüpft werden, wird die medienerzieherische Praxis in puncto Computerspiele ausgestaltet . Dies schlägt sich darin nieder, dass sich Eltern, deren medialer Habitus durch fehlende Computerspielerfahrungen und/ oder ein Desinteresse an Computerspielen charakterisiert ist, in ihrem medienerzieherischen Handeln meist auf das Aufstellen von Regeln (Quantität und Qualität) beschränken und sich diesbezüglich an offiziellen Empfehlungen (USK) orientieren. Zudem werden teilweise Inhalte von AnbieterInnen, die auch im gesellschaftlichen Diskurs als Bildungsgut anerkannt werden (z . B . Internetseiten der Sendung mit der Maus), präferiert . Generell sind die spielunerfahrenen Eltern des Samples in ihrem medienerzieherischen Handeln unsicherer und betrachten das Computerspielen ihrer Kinder deutlich kritischer als spielerfahrene und -affine Eltern.
Ist der mediale Habitus von Eltern hingegen stärker durch eigene Erfahrungen mit Computerspielen geprägt, ist die Sichtweise der Eltern sowohl auf Computerspiele allgemein als auch auf das Spielverhalten der eigenen Kinder meist weit weniger risikofokussiert, was sich in einer positiveren Einschätzung des Computerspielverhaltens der eigenen Kinder niederschlägt . Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass diese Eltern Computerspiele generell als geeignet für ihre Kinder einstufen . Stattdessen zeigen die spielerfahrenen Eltern im Vergleich zu den spielunerfahrenen Eltern eine deutlich differenziertere Spielauswahl . Diese basiert auf eigenen Spielerfahrungen und somit auch detaillierteren Genrekenntnissen und wird weniger an gesellschaftlich akzeptierten Spielgenres und den Empfehlungen der USK ausgerichtet . Bspw . erlaubt eines der Elternpaare (Familie 4), welches selbst eine hohe Spielerfahrung hat, seinen Kindern auch Spiele, die für das Alter des jeweiligen Kindes gemäß USK nicht freigegeben sind, wenn es diese für das spezifische Kind als unbedenklich einstuft. Trotzdem verbieten diese Eltern ihrem eher ängstlichen älteren Sohn gewalthaltige Inhalte, während sie diese für jüngere und weniger sensible Geschwisterkinder tendenziell zulassen würden . Insgesamt zeigt sich im Hinblick auf die Kindorientierung die Tendenz, dass Eltern mit einem größeren Erfahrungshorizont mehr auf die Bedürfnisse ihrer Kinder bezüglich Computerspielen eingehen und die Faszination ihrer Kinder für diese Spiele besser nachvollziehen können . Das medienerzieherische Aktivitätsniveau ist meist höher, wenn die Eltern selbst ComputerspielerInnen waren oder noch immer sind . Allgemein erscheint das medienerzieherische Handeln computererfahrener Eltern differenzierter als das unerfahrener Eltern: Chancen als auch Risiken werden stärker abgewogen, Eltern spielen häufiger gemeinsam mit ihren Kindern und setzen sich aktiver mit den Spielen auseinander .
Die Ausführungen haben aufgezeigt, wie deutlich der mediale Habitus der Eltern den medienerzieherischen Habitus beeinflusst, sowohl den der spielunerfahrenen als auch der spielerfahrenen Eltern .
Auch der erzieherische Habitus wirkt sich auf die Medienerziehung der Eltern aus, wie die Forschungsergebnisse aufgezeigt haben . Anders könnte es auch kaum sein, da Medienerziehung wohl kaum getrennt von der allgemeinen Erziehung im Elternhaus erfolgt . Anzunehmen ist somit, dass sich das Erziehungs- und Medienerziehungsverhalten stark ähneln, also bspw . Eltern mit eher restriktivem allgemeinen Erziehungsverhalten auch ein restriktives Medienerziehungsverhalten zeigen . Da in den Interviews die allgemeine Erziehung in Form von Erziehungszielen (z . B . Relevanz von Primärerfahrungen) jedoch eher am Rande thematisiert wurde, kann die Studie darüber keine weiteren Aufschlüsse geben .
Innerhalb der Studie wurden im Kontext des medialen und medienerzieherischen Habitus die Haltungen der Eltern in Hinsicht auf Computerspiele in den Blick genommen . Wie dieser Habitusaspekt im Verhältnis zur Haltung gegenüber anderen Medien steht, wurde nicht betrachtet .
Empirisch unbeachtet bleibt in der vorliegenden Studie zudem, inwieweit der medienerzieherische Habitus wiederum in Form von Rückkoppelungseffekten den medialen Habitus beeinflusst. Da Eltern oft erst durch das Interesse ihrer Kinder näher mit Computerspielen in Kontakt kommen, ist es durchaus denkbar, dass sich ihr medialer Habitus im Hinblick auf Computerspiele über den medienerzieherischen Umgang mit diesen verändert .
In einer geplanten Folgestudie der Forschungsgruppe der AG 9 soll quantitativ erfasst werden, inwiefern mit den Worten Bourdieus die Klassenzugehörigkeit (u . a . erhoben über den Bildungshintergrund) mit den Habitusformen im Kontext elterlicher Medienerziehung korrespondiert . Aufgrund der geringen Stichprobe können aus den Ergebnissen der vorliegenden Studie darüber aktuell keine Aussagen getroffen werden .