Rechtsextreme auf den Rängen

Trotz der Tatsache, dass rechtsextremistische Einstellungen innerhalb der Bevölkerung durchaus verbreitet sind, gelingt es den Anhängern dieser Ideologie nur in sehr engen Spielräumen, dieses Potential in politischen Einfluss umzumünzen. Das dürfte nicht zuletzt an der kritischen medialen Begleitung liegen, mit der die Öffentlichkeit rechtsextremen Beeinflussungsversuchen begegnet. Das inhaltlich ohnehin schwachbrüstige Angebot der extremen Rechten findet abseits kleiner Kreise kaum statt. Um überhaupt wahrgenommen zu werden, lassen die Spielregeln der Mediendemokratie Rechtsextremisten lediglich eine strategische Option: Provokation [1]. Es ist kein Zufall, dass sich Götz Kubitschek als Mannschaftskapitän des offensiver agierenden Flügels der Neuen Rechten diese Strategie zum Thema und Leitmotiv erkoren hat. Kubitschek formuliert seine Konzepte zum metapolitischen Konter so: "Wahrgenommen wird das Unerwartete, wahrgenommen wird der gezielte Regelverstoß, wahrgenommen, zwingend wahrgenommen wird die bewußte oder unbewußte Verletzung des Regelwerks der Harmlosigkeit, das die derzeitige deutsche, nur scheinbar nach allen Seiten offene Herrschaftsstruktur absichert und abwehrt." (Kubitschek 2007: 24). Mit der "Konservativ Subversiven Aktion" (KSA) hatte Kubitschek in neurechten Kreisen den Nukleus einer elitären Sponti-Bewegung von rechts geschaffen, die mit den Methoden der 68-er gegen deren vermeintliche Erben rebellierte – allerdings mit mäßigem Erfolg. Die von ihm als Öffentlichkeitsstrategie propagierte Provokation findet sich in vulgarisierter Form auch an den Schnittstellen von Fußball und rechtsextremer Szene wieder. Auf den Rängen und auf dem Platz ist Provokation ein fester Bestandteil des Spiels. Sie dient – analog zu dem Überlegungen zum KSA-Experiment – gleichzeitig der Verunsicherung des Gegners und der Vergewisserung des eigenen Selbst.

So wie das rechtsextreme Demonstrationsverhalten – im NPD-Jargon als "Kampf um die Straße" etikettiert – dazu dienen soll, die Aktivitäten der Szene in der öffentlichen Wahrnehmung zu verankern, dienen auch die Fußballstadien der Republik als Bühnen zur Selbstinszenierung unter medialer Beobachtung. Da eine zunehmende Verdrängung der entsprechenden Phänomene aus den gut überwachten Stadien der oberen Ligen in die unteren Klassen stattfindet, stammen die augenfälligsten Beispiele auch aus diesen Spielklassen. So formierten sich im Februar 2006 bei einem Spiel der A-Jugend-Mannschaften von Lokomotive Leipzig und Sachsen Leipzig Anhänger der rechtsextremen Szene in Form eines Hakenkreuzes auf der Tribüne. Das Beispiel sorgte für Schlagzeilen und bescherte den rechtsextremen Aktivisten überregionale Publizität. In ähnlicher Art und Weise wird versucht, durch Fahnen und Transparente mit rechtsextremen Botschaften – über die Grenzen der eigentlichen Sportberichterstattung hinaus – Bilder zu prägen und Botschaften zu platzieren. Im April 2006 schwenkten beispielsweise Fans des Chemnitzer FC bei einem Regionalligamatch gegen den FC St. Pauli rote Fahnen mit weißen Kreisen, in denen lediglich das (verbotene) Hakenkreuz ausgespart war (vgl. Dembowski 2007).

Auf individueller Ebene wird die gemeinsame politische Orientierung durch ein komplexes System von Symbolen und Zahlencodes zur Schau gestellt. Sie dienen als gemeinschaftsstiftende Elemente, die es den rechtsextremen Anhängern ermöglichen, sich in den Stadien zu erkennen, zu sammeln und den Fußball gemeinsam in ihre politische Erlebniswelt zu integrieren. Die hierbei zur Anwendung kommenden Szenekennzeichen sind mittlerweile vielfältig und teilweise komplex: Der klassische rechte "Bomberjacken und Springerstiefel-Skinhead" ist auch in den Fanblocks zu einem eher randständigen Phänomen mutiert.

Andere Zeichen beherrschen zwischenzeitlich das Bild: Tätowierungen und Kleidung mit Ziffern wie 18 und 88 stehen beispielsweise für die entsprechenden Buchstaben des Alphabets – also das "A" bzw. das "H"– und signalisieren eine Identifikation mit Adolf Hitler oder dem nationalsozialistischen Gruß "Heil Hitler". Die Kennziffer

"28" stellt eine Kodierung der Initialen "BH" dar, hinter denen sich das verbotenen Neonazinetzwerk Blood & Honour verbirgt. Aber auch szenetypische Symbole, die oft verfremdete NS-Symbolik beinhalten oder der germanischen Mythologie entliehen sind, und Marken wie Thor Steinar fungieren Szeneanhängern als Erkennungszeichen und Identitätsanker (vgl. Blaschke 2011: 91 f.). Die jeweiligen Kodierungen sind dabei – nicht zuletzt zur Vermeidung staatlicher und zivilgesellschaftlicher Repression – einem beständigen Wandel unterworfen: "Stadien und ihr Umfeld werden so zu Präsentationen eines sich permanent modernisierenden rechtsgerichteten Patchwork-Lifestyles genutzt" (Dembowski 2007: 217).

  • [1] Vgl. hierzu den Beitrag von Helmut Kellershohn im vorliegenden Band.
 
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