Theoretische Implikationen

Auch wenn sich die sozialen Situationen in Schule und Ausbildungsbetrieb stark voneinander unterscheiden, scheint der Übergang von der Schule in die berufliche Grundbildung für die Jugendlichen mit einem direkten Beginn der beruflichen Grundbildung in der Regel gut gemeistert zu werden, anders als dies in anderen Bildungssystemen zum Beispiel beim Übergang vom College zur Arbeit der Fall zu sein scheint (Wendlandt & Rochlen, 2008). Entsprechend sollte in Theorien der beruflichen Sozialisation beim Eintritt in die berufliche Grundbildung das Ergebnis des Berufswahlprozesses hohes Gewicht erhalten. Jugendliche bereiten sich im Berufswahlprozess ausführlich und erfolgreich auf die neuen Anforderungen vor und scheinen dadurch gut vorbereitet zu sein. Die Anpassung an die neue Ausbildungs- und Arbeitssituation in den ersten Monaten sind wichtig (Bauer & Erdogan, 2011), doch es ist noch wichtiger, dass sich die Jugendlichen in ihrer Entscheidung, den richtigen Lehrberuf und den richtigen Ausbildungsbetrieb gewählt zu haben, sicher sind. Der Entscheidungssicherheit sollte in weiteren Studien mehr Aufmerksamkeit zukommen.

Praktische Implikationen

Der Berufswahlprozess darf sich nicht nur auf die Wahl des Lehrberufs und der passenden Lehre beschränken. Vielmehr sollte der Wahl des richtigen Lehrbetriebs mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, während des schulischen Berufswahlunterrichts und vor allem auch während der Schnupperlehren und dem Bewerbungs- und Selektionsprozess. Die Jugendlichen können den Ausbildungsbetrieb jedoch nur sehr eingeschränkt selber wählen. Sie entscheiden sich, ob sie sich für eine bestimmte Schnupperlehre oder Lehrstelle bewerben wollen oder nicht. Über ihre Bewerbung entscheidet dann aber der Ausbildungsbetrieb. Hier liegt eine grosse Verantwortung bei den Betrieben, die durch Schnupperlehren und die Gestaltung des Bewerbungs- und Selektionsprozesses dazu beitragen können, dass die Jugendlichen in den passenden Ausbildungsbetrieb aufgenommen werden. So erhalten Jugendliche in Schnupperlehren einen Einblick in die betriebliche Realität und gewinnen Entscheidungssicherheit (Neuenschwander & Hermann, 2014), wenn diese gut vorbereitet, durchgeführt und nachbereitet werden. Betriebe und Jugendliche könnten Schnupperlehren oder Bewerbungsgespräche vermehrt nutzen, um den Jugendlichen eine grössere Sicherheit in ihrer Entscheidung zu ermöglichen. Zur Gestaltung und Wirkung von Schnupperlehren und den Selektionsprozessen liegen allerdings kaum relevante Studien vor (Imdorf, 2007; Neuenschwander, 2010; Stalder, 2000). Durch eine bessere Vorbereitung und Selektion kann früh erkannt werden, ob die zukünftigen Lernenden und die Ausbildungsbetriebe zueinander passen. Schnupperlehren sollten genutzt werden, um den Jugendlichen einen realistischen Blick auf den zukünftigen Lehrberuf zu ermöglichen, da dies die wahrgenommene Passung erhöht (Vandenberg & Scarpello, 1990).

Die Jugendlichen, die direkt nach der Schule mit einer beruflichen Grundbildung beginnen, sind sich sicher, den richtigen Lehrberuf gewählt zu haben. Dies ändert sich im ersten Monat der beruflichen Grundbildung nur wenig. Bis zum fünften Monat gibt es dann aber trotz einer hohen Stabilität doch Veränderungen, die sich im fünften Monat der beruflichen Grundbildung in einer hohen wahrgenommenen Passung mit dem Lehrberuf zeigen. Jugendliche mit einer hohen wahrgenommenen Passung im fünften Monat, haben im sechsten Monat eine grössere Zufriedenheit mit der Lehre, eine grösser Zufriedenheit mit dem Betrieb, bewerten ihren Lernfortschritt besser und sind überzeugter davon, dass sie die Lehre abschliessen wollen. Wenn Schülerinnen und Schüler und Lernende über eine gering oder geringer werdende wahrgenommene Passung mit dem Lehrberuf berichten, ist dies ein Hinweis, dass eine negative Entwicklung einsetzt. Wenn eine sinkende wahrgenommen Passung erkannt wird, hilft dies frühzeitig, ungünstige Verläufe zu identifizieren. Es eröffnet die Möglichkeit, Gegenmassnahmen zu ergreifen.

 
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