Empirischer Forschungsstand zum Stand der Ausbildungsqualität in den Betrieben und deren Zusammenhang mit Lehrvertragsauflösungen

Über den aktuellen Stand der Ausbildungsqualität in den Betrieben liegen nur wenige belastbare Daten vor. In Deutschland existieren neben einigen regionalen Studien (z.B. Heinemann & Rauner, 2008; Quante-Brandt & Grabow, 2008) nationale Erhebungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) (Deutscher Gewerkschaftsbund, 2012) oder des Bundesinstituts für Berufsbildung (BiBB) (Beicht, Krewerth, Eberhard & Granato, 2009; Ebbinghaus, 2009; Krewerth & Beicht, 2011). Für die Schweiz fehlen derartig breit abgestützte Daten weitgehend. Eine Ausnahme bildet die allerdings mehr als 30 Jahre alte Studie von Häfeli, Frischknecht und Stoll (1981), bei der es sich um die erste breit angelegte Lernendenuntersuchung in der Schweiz handelt, welche u.a. Aspekte der Ausbildungsqualität untersucht. Ein Vergleich der Ausbildungsqualität zwischen den verschiedenen Forschungsarbeiten ist jedoch nicht ohne weiteres möglich. Erstens, weil einige Studien die Perspektive der Auszubildenden untersuchen, während andere diejenige der Berufsbildner/innen in den Blick nehmen. Arbeiten, die mehrere Perspektiven einbeziehen, sind hingegen nur vereinzelt anzutreffen (z.B. Ebbinghaus, Krewerth & Loter, 2010). Zweitens, weil die Qualität je nach Studie unterschiedlich definiert und erhoben wurde. So setzen sich einige Studien vor allem mit der inputbezogenen Qualität (z.B. fachliche Qualifikation der Ausbilder/ innen) auseinander, während andere Studien die prozessbezogene (z.B. Verhalten der Ausbilder/innen) oder die outputbezogene Qualität (z.B. erreichter Abschluss oder Abbruchrate der Auszubildenden) untersucht haben (Ebbinghaus et al., 2011). Trotz dieser Limitationen zeigt der Forschungsstand, dass sowohl Berufsbildner/innen als auch die Lernenden die Ausbildungsqualität im Betrieb als eher befriedigend bis gut einschätzen. So zeigen Heinemann und Rauner (2008) in ihrer Untersuchung, dass 10% der von ihnen untersuchten Betriebe sich eine Note besser als „gut“ geben und 50% sich eine Note zwischen „gut“ und „befriedigend“ geben. Lediglich 5% schätzen die eigene Qualität schlechter als „ausreichend“ ein. Beicht et al. (2009) können ähnliche Ergebnisse aus Sicht der Lernenden identifizieren. So sind für knapp ein Viertel der Auszubildenden (24%) die Kriterien einer guten Ausbildung „sehr stark“ und für mehr als die Hälfte der Auszubildenden (53%) „eher stark“ erfüllt. Etwas über ein Fünftel (21%) hält die Qualitätskriterien für „eher wenig“ erfüllt und lediglich ein Prozent der Auszubildenden ist der Ansicht, dass die Qualitätsanforderungen nur gering umgesetzt werden.

Betrachtet man diese in Deutschland erhobenen Daten genauer, dann ergibt sich ein heterogenes Bild mit teilweise erheblichen Unterschieden zwischen den Ausbildungsberufen und zwischen Gross- und Kleinbetrieben. Überaus positiv bewerten die angehenden Bankkaufleute ihre Ausbildungssituation sowie die Auszubildenden in der Industriemechanik, die Mechatroniker/innen und die Industriekaufleute, während Auszubildende im Hotel- und Gaststättenbereich wie Köche/Köchinnen, Hotel- und Restaurantfachleute die betriebliche Ausbildungsqualität negativer bewerten und von schlechteren fachlichen Anleitungen, permanent vielen Überstunden und dem Eindruck, ausgenutzt zu werden, berichten. Nochmals ungünstiger als Köche/Köchinnen bewerten die Maler/innen, Tischler/innen und Fachverkäufer/innen im Lebensmittelhandwerk die Ausbildungsqualität in ihren Betrieben (Deutscher Gewerkschaftsbund, 2012). Ähnliche Ergebnisse sind in der Studie von Beicht und Kollegen (2009) zu finden. Auch in diesem Fall wurden in den Berufen Bankkaufmann/-frau und Industriemechaniker/innen die höchsten Werte beobachtet, während Fachverkäufer/ innen im Lebensmittelhandwerk, Köche/Köchinnen und Maler/innen niedrigere Werte erreichten (Beicht et al., 2009). Diese berufsspezifischen Unterschiede sind auch für die Schweiz durchaus zu erwarten und werden mit Blick auf Köche/ Köchinnen und Maler/innen in diesem Beitrag untersucht. Bei der Bewertung der Ausbildungsqualität spielt wiederkehrend die Betriebsgrösse eine zentrale Rolle. So wird die Qualität in Grossbetrieben (mehr als 500 Beschäftigte) besser als in Kleinbetrieben eingeschätzt (Quante-Brandt & Grabow, 2008; Krewerth & Beicht, 2011; Deutscher Gewerkschaftsbund, 2012). Auch Heinemann und Rauner (2008) haben die höheren Werte in Grossbetrieben gefunden. Der Befund lässt sich i.d.R. dadurch erklären, dass in grösseren Betrieben oftmals eigenständige Ausbildungsabteilungen existieren, die die Ausbildungsbedingungen professioneller gestalten. Für die Schweiz sind ähnliche Befunde bzgl. der Betriebsgrösseneffekte zu erwarten, wenngleich zu berücksichtigen ist, dass der Anteil an Grossbetrieben in der betrieblichen Ausbildung in der Schweiz deutlich geringer als in Deutschland ist.

Ebbinghaus und Kollegen (2010) berücksichtigen die Perspektiven der Berufsbildner/innen und der Lernenden. Hier wird ersichtlich, dass die Qualitätsbeurteilungen der Ausbilder/innen und diejenigen der Auszubildenden stark divergieren. Die Einschätzungen der Berufsbildner/innen fallen positiver aus als die der Auszubildenden. Dies ist der Fall sowohl bei der Qualitätsdimension „materielle Ausstattung“ als auch bei „Ausbildungsgestaltung“ und bei „Kompetenzen der Ausbilder/innen“. Die grössten Unterschiede sind jedoch bei der Beurteilung zur Dimension „Überwachung und Feedback“ zu finden. Nach den Auszubildenden kommen Feedback und Lob für gute Arbeit seltener vor, während Ausbilder/innen der Ansicht sind, dass Feedbacks und Lob regelmässig geäussert werden. Dass Selbst- und die Fremdbewertungen von Qualitätsmerkmalen nicht übereinstimmen, ist ein bekanntes Phänomen (Clausen, 2002). Feldman (1989) zeigt beispielsweise in einer Metaanalyse, dass die Korrelationen zwischen der Qualitätsbeurteilung von Hochschullehrern und Hochschullehrerinnen und derjenigen der Studierenden je nach Qualitätsaspekt zwischen 0.15 und 0.42 liegen. Dabei hat die Sicht der Lernenden die höchste prädiktive Validität für schulische Entwicklungsverläufe (z.B. Schulerfolg) (Clausen, 2002). Fauth, Rieser, Decristan, Klieme und Buettner (2013) haben in ihrer Studie neben der Perspektive der Lehrpersonen und der Perspektive der Schüler und Schülerinnen auch eine dritte Perspektive von externen Beobachtenden berücksichtigt. In dieser Studie zeigte die Beobachterperspektive die höchste prädiktive Validität für die Lernergebnisse der Schüler und Schülerinnen.

Die insgesamt geringe Zahl an Studien zur betrieblichen Ausbildungsqualität hat auch zur Konsequenz, dass zu den Zusammenhängen zwischen Merkmalen der Ausbildungsqualität und dem Auftreten von LVA noch wenig bekannt ist. Einige Studien, die ehemalige Lernende nach den Gründen einer LVA gefragt haben, zeigen aber, dass die Ausbildungsqualität sowie die Fähigkeiten und Kenntnisse der Berufsbildner/innen oft als wichtiger Grund für eine Lehrvertragsauflösung angegeben werden (Schöngen, 2003; Rastoldo, Amos & Davaud, 2009; Piening, Hauschildt & Rauner, 2010; Frey, Ertelt & Balzer, 2012). Eine mangelhafte Anleitung durch den/die Berufsbildner/Berufsbildnerin bei der Arbeit, die Überforderung oder die Unterforderung der Lernenden sowie die monotonen oder fachfremden Tätigkeiten im Beruf können ein wichtiger Grund für die Auflösung des Lehrvertrags sein (Schöngen, 2003; Stalder & Schmid, 2006; Piening, Hauschildt

& Rauner, 2010; Schmid, 2010; Frey, Ertelt & Balzer, 2012). Im schulischen und tertiären Kontext liegen hingegen umfassendere Befunde zum Zusammenhang zwischen Unterrichtsqualität bzw. Hochschulqualität und dem Bildungsgangabbruch vor. Den Schulen und deren Qualität wird dabei eine wichtige Rolle bei Dropouts zugesprochen (vgl. z.B. Lee & Burkam, 2003; Ricking, 2003; Stamm, 2006; Ricking, Schulze & Wittrock, 2009). Basierend auf diesen Aussagen und Ergebnissen kann vermutet werden, dass die Ausbildungsqualität eine substanzielle Rolle für das Auftreten von LVA spielt. Ein Zusammenhang kann aber lediglich angenommen werden, da bisher kaum empirische Studien dazu existieren.

 
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