Theoretische Betrachtung

Der Übergang, ein sich entwickelndes Phänomen

Der Begriff Übergang Schule-Arbeit bezeichnet den Wechsel von der Welt der Schule in die berufliche Welt, den die Jugendlichen am Ende der obligatorischen Schule erproben. Es handelt sich dabei sowohl in beruflicher als auch in persönlicher Hinsicht um eine Schlüsselphase auf dem individuellen Weg. Denn die Etappe ist grundlegend für den Eintritt in die Arbeitswelt, aber auch für den Wechsel aus dem Jugendins Erwachsenenalter (Cohen-Scali, 2000).

Wir betrachten den Übergang als einen Prozess, der vor dem Eintritt in die Sekundarstufe II beginnt, in unserem Fall mit der beruflichen Erstausbildung, und der bis zu einer dauerhaften beruflichen Eingliederung andauert; die Lehrvertragsauflösung ist in unserer Betrachtung ein integraler Bestandteil dieses Prozesses (Lamamra & Masdonati, 2009). Des Weiteren beziehen wir uns auch auf die häufig in der Literatur gemachte Unterscheidung zwischen verschiedenen Schwellen des Übergangs (Behrens, 2007): Die erste (Schwelle 1, nachfolgend S1) beschreibt den Übergang von der obligatorischen Schule in die Sekundarstufe II; die zweite (Schwelle 2, nachfolgend S2) erstreckt sich vom Ende der Ausbildung bis zum ersten Beruf. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass der Übergangsprozess diese unterschiedlichen Schwellen umfasst.

Zahlreiche Untersuchungen haben in den letzten Jahren die Komplexität des Übergangs Schule-Arbeit und das Phänomen der Verlängerung offenbart, das diesen Übergang generell ebenso kennzeichnet wie im Fall der dualen Ausbildung, die uns interessiert (Behrens, 2007; Meyer & Bertschy, 2011; Rastoldo, Evrard, & Amos, 2007; Rastoldo & Mouad, in diesem Sammelband). Während der Übergang von der Schule in die Arbeitswelt früher noch einen genauen Punkt im biographischen Werdegang eines Jugendlichen darstellen konnte, stellt er heute einen langen und komplexen Weg dar, ein Prozess, der „zunehmend schwierig, zufällig und schmerzhaft“ (Dubar, 1996: 31) ist. Davon zeugen die Nicht-Linearität und die Heterogenität der Übergangsverläufe der Jugendlichen, sei es beim Übergang von der obligatorischen Schule in die berufliche Erstausbildung (Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz, Besuch von unterstützenden Übergangsmassnahmen), während der Ausbildung (Lehrvertragsauflösung, Umorientierung, Nicht-Bestehen von Prüfungen) oder beim Übergang von der Ausbildung zum ersten Arbeitsplatz (Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Arbeitsplatz, Arbeitslosigkeit) (Davaud, Mouad, & Rastoldo, 2010; Kaiser, Davaud, Evrard, & Rastoldo, 2007). Die vorzeitige Lehrvertragsauflösung gehört demnach vollumfänglich zu diesem Phänomen der Verlängerung und zunehmenden Komplexität. Wir betrachten es folglich als Merkmal einer prekären S1 oder sogar als Versagen bei der ersten Übergangsschwelle (Masdonati, Lamamra, & Jordan, 2010).

Die vorzufindenden Schwierigkeiten beim Übergang Schule-Arbeit betreffen nicht alle Jugendlichen gleichermassen; eine gewisse Anzahl an Faktoren beeinflusst den Verlauf des Prozesses: Soziale Herkunft, Migrationsstatus, Geschlecht. Entsprechend betreffen die chaotischen Übergänge eher Jugendliche mit Migrationshintergrund, diejenigen aus einfachen Verhältnissen sowie Mädchen (Amos, 2007; Bergman, et al., 2011; Rastoldo, et al., 2007).

 
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