Einflussfaktoren auf frühe berufliche Laufbahnen
Der Einfluss der schulischen Herkunft
Das schweizerische Schulsystem ist im internationalen Vergleich nach wie vor eines der selektivsten und die Zuweisung zu Schultypen erweist sich an verschiedenen Schlüsselstellen der frühen beruflichen Laufbahn als bedeutsamer Faktor (Häfeli & Schellenberg, 2009; Neuenschwander, 2014). Bereits in der obligatorischen Schulzeit stellen verschiedene Schultypen trotz programmierter Durchlässigkeit unterschiedliche Entwicklungsmilieus dar (Hupka-Brunner & Wohlgemuth, 2014) und beeinflussen so u.a. Lernangebote, Selbstwirksamkeitserwartungen, Leistungsmotivation und berufliche Ambitionen (Pinquart, Juang, & Silbereisen, 2003). Lernende mit besonderem Förderbedarf haben auch in einem integrativen Kontext ein vergleichsweise tieferes schulisches Fähigkeitsselbstkonzept (Venetz, Tarnutzer, Zurbriggen, & Sempert, 2012).
Die Bedeutung des Schultyps bei der Lehrstellensuche ist demgegenüber umstritten: Auf der einen Seite wird argumentiert, dass für Betriebe nicht primär der Schultyp entscheidend ist, sondern oft wichtiger, ob eine Person motiviert ist und in eine bestimmte Funktion und ins Team passt (Imdorf, 2014; Neuenschwander, 2014). Andererseits fungiert der Schultyp für viele Betriebe als Leistungslabel, um abschätzen zu können, ob Bewerber/-innen den schulischen Teil der Ausbildung bestehen können (Hupka-Brunner & Wohlgemuth, 2014; Imdorf, 2014). Damit lässt sich im Bewerbungsprozedere Zeit- und Aufwand sparen (Eckhart & Sahli Lozano, 2014), was sich insbesondere für Grossbetriebe als relevant erwies (Moser, 2004). Besonders hoch sind dadurch die Hürden für Lernende aus Sonderklassen und Sonderschulen (Eckhart & Sahli Lozano, 2014; Gyseler, 2008) und oft bleibt v.a. für Sonderschüler/-innen als Alternative nur eine Ausbildung im geschützten Rahmen (Fasching, 2013). Zudem finden sich Lernende aus Realoder Sonderklassen häufiger in Ausbildungsberufen mit niedrigerem Anforderungsniveau (Hupka-Brunner & Wohlgemuth, 2014) und nicht in ihrem Wunschberuf (Eckhart, Blanc, & Sahli, 2010).
Auch die Ausbildungssituation wird von Lernenden aus Sonderklassen/-schulen kritischer beurteilt. Sie verfügen ausserdem über ein kleineres soziales Netz und ein niedrigeres Fähigkeitsselbstkonzept im Vergleich mit Lernenden aus Regelklassen (Eckhart & Sahli Lozano, 2014). Besorgniserregend ist weiter der Befund, dass die Lehrabbruchquoten in Berufen mit tieferem Anforderungsniveau (z.B. EBA-Ausbildung) markant höher sind als in Berufen mit höherem Anforderungsniveau (Stalder & Schmid, 2006; Stern, Marti, von Stokar, & Ehrler, 2010) und der Schultyp auch die Wiedereinstiegschancen nach einer Lehrvertragsauflösung massgeblich beeinflusst (Schmid & Stalder, 2007, 2008). Insgesamt ist das Risiko, ausbildungslos zu bleiben bei Lernenden aus Schultypen mit tieferen Anforderungen deutlich erhöht (Bertschy, Böni, & Meyer, 2007; Scharenberg, Rudin, Müller, Meyer, & Hupka-Brunner, 2014).
Inwieweit sich der vor der Ausbildung besuchte Schultyp darüber hinaus auf die Arbeitsmarktchancen auswirkt, ist noch wenig erforscht, wie auch insgesamt noch wenig bekannt ist über die Situation nach Abschluss einer zweijährigen Grundbildung mit EBA (Stern et al., 2010). In Analysen von TREE (Geier, Hupka-Brunner, & Gaupp, 2013) erweisen sich Schulnoten und das Niveau der abgeschlossenen Ausbildung als wichtig für einen erfolgreichen Übergang an der zweiten Schwelle, während der Schultypus vor Ausbildungsbeginn seinen Einfluss in multivariaten Analysen oft verliert.