Determinanten unterschiedlicher Bildungspfade: Literatur und Hypothesen

Familiäre Faktoren: Ausbildungsabschluss der Eltern

In der Literatur findet man vorwiegend drei Erklärungsansätze zum Effekt der elterlichen Bildung auf den Bildungsweg der Kinder: Erblichkeit intellektueller Fähigkeiten, Investitionen hinsichtlich der Ausbildung und Aktivitäten in Zusammenhang mit der Ausbildung. Unabhängig vom jeweiligen Kanal wird dabei ein positiver Einfluss erwartet. Zudem ist davon auszugehen, dass der Einfluss der elterlichen Bildung insbesondere bei frühen Bildungsentscheidungen zum Tragen kommt und dabei auch für die Entscheidung rein beruflicher/akademischer vs. gemischter Bildungspfad eine bedeutende Rolle spielt. Die empirische Literatur zu den Determinanten von Bildungsentscheidungen lässt tatsächlich vermuten, dass der Einfluss der elterlichen Bildung bedeutend ist, dieser jedoch für spätere Bildungsentscheidungen abnimmt. Studien, welche dabei zwischen verschiedenen Kombinationen von beruflichen und akademischen Ausbildungen unterscheiden und hinsichtlich der elterlichen Bildung Ausbildungstyp und Ausbildungsniveau berücksichtigen sind kaum vorhanden.

Erstens bringen sich Eltern im Rahmen ihrer Erziehungsaufgaben in Aktivitäten ein, die direkt oder indirekt mit der Ausbildung zusammenhängen (vgl. z.B. Leibowitz, 1974; Leibowitz, 1977; Reynolds, 1992; Fan & Chen, 2001; Eccles & Davies-Kean, 2005). Dies können einerseits Aktivitäten sein, die direkt mit der Ausbildung in Zusammenhang stehen wie beispielsweise die Unterstützung bei den Hausaufgaben. Andererseits kann es sich auch um Aktivitäten handeln, die intellektuelle Fähigkeiten im Allgemeinen fördern. Dabei ist zu erwarten, dass der Ausbildungsabschluss der Eltern das Ausmass und die Qualität dieser Aktivitäten massgeblich mitbestimmt.

Zweitens spielen intellektuelle Fähigkeiten bei der Ausbildung eine bedeutende Rolle. Durch die Erblichkeit von intellektuellen Fähigkeiten ist dies somit auch für den Zusammenhang zwischen der elterlichen Bildung und der Bildung der Kinder relevant. Die Diskussion dreht sich dabei insbesondere um die Frage, inwieweit die intellektuellen Fähigkeiten durch genetische Faktoren und inwieweit durch Umwelteinflüsse bestimmt werden. Plomin, DeFries, & Fulker (1988) schlagen dabei ein theoretisches Modell vor, mit dem dies getestet werden kann. Die Resultate empirischer Studien (vgl. beispielsweise Sacerdote, 2007 oder Turkheimer, Haley, Waldron, D'Onofrio, & Gottesman, 2003) lassen dabei keinen eindeutigen Schluss zu. Unbestritten ist aber die Tatsache, dass genetische Faktoren eine Rolle spielen bei der intergenerationalen Transmission der Ausbildung. Es ist deshalb zu erwarten, dass durch die Erblichkeit von intellektuellen Fähigkeiten die Bildung der Eltern systematisch mit der Bildung der Kinder zusammenhängt. Drittens dürfte die Ausbildung der Eltern auch massgeblich die Investitionsentscheidung betreffend der Ausbildung der Kinder beeinflussen. Ein Grund hierfür ist, dass höhere Bildung zu durchschnittlich höheren Löhnen führt, was dann wiederum die finanziellen Ressourcen erhöht, die auch für die Bildung der Kinder verwendet werden können. Zentrale Studien in diesem Bereich sind Becker & Tomes (1994) und Cunha & Heckman (2007), welche sich aber auch mit anderen potentiellen Einflussfaktoren beschäftigen. Auch diesem Erklärungsansatz folgend ist zu erwarten, dass die Bildung der Eltern einen bedeutenden Einfluss auf die Bildung der Kinder ausübt. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass es mehrere Kanäle gibt über welche die Ausbildung der Eltern die Ausbildung der Kinder beeinflusst, unabhängig vom jeweiligen Kanal aber ein positiver Einfluss von höherer Ausbildung zu erwarten ist.

Die empirische Literatur zu den Determinanten von Bildungsentscheidungen lässt vermuten, dass der Einfluss der elterlichen Bildung bedeutend ist (vgl. z.B. Tansel, 2002; Connelly & Zheng, 2003; Dustmann, 2004). Studien, welche dabei zwischen verschiedenen Bildungspfaden unterscheiden, sind sehr selten. Eine nennenswerte Ausnahme bildet Breen & Jonsson (2000), welche für Schweden verschiedene Typen von Bildungspfaden analysieren und feststellen, dass die Bildungspfade von der sozialen Herkunft abhängen.

Neben dem Ausbildungsniveau dürfte aber insbesondere auch der Ausbildungstyp der elterlichen Bildung entscheidend sein. So dürften sich die Bildungspräferenzen der Eltern unterscheiden abhängig davon ob diese selber eine akademische oder berufliche Ausbildung absolviert haben. So zeigt Davis-Kean (2005), dass die Ausbildung der Eltern die schulischen Leistungen des Kindes über die elterlichen Erwartungen und Verhaltensweisen beeinflusst. Zudem entwickeln Kinder, die bei Eltern mit höheren Bildungsabschlüssen aufwachsen, anspruchsvollere Berufswünsche, was schliesslich auch zu einem höheren Bildungsniveau führt (Dubow, Boxer, & Huesmann, 2009). Aufgrund der bisherigen empirischen Befunde zu Bildungspfaden ist zudem nicht davon auszugehen, dass ein bestimmter Bildungspfad systematisch bevorzugt werden sollte, werden sowohl akademische als auch berufliche Ausbildungen vom Arbeitsmarkt stark nachgefragt (Tuor& Backes-Gellner, 2010; Backes-Gellner et al., 2010). Die erste zu testende Hypothese lautet also wie folgt:

Hypothese 1: Der Ausbildungsabschluss der Eltern hat einen signifikanten Einfluss auf den Bildungspfad der Kinder.

Dabei erwarten wir, dass Personen, deren Eltern eine akademische Ausbildung absolviert haben, mit höherer Wahrscheinlichkeit einen rein akademischen als einen rein beruflichen Bildungspfad einschlagen. Personen, deren Eltern einen beruflichen oder keinen tertiären Bildungsabschluss aufweisen, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit einen rein beruflichen Bildungspfad einzuschlagen. Für gemischte Bildungspfade und damit die Kombination von beruflichen und akademischen Ausbildungsinhalten ist kein systematischer Zusammenhang zu einem bestimmten Ausbildungstyp elterlicher Bildung zu erwarten. Vielmehr dürften diese in allen Gruppen vertreten sein.

Gegenstand zahlreicher empirischer Studien ist zudem die Frage, ob sich der Einfluss der mütterlichen Ausbildung vom Einfluss der väterlichen Ausbildung unterscheidet (vgl. z.B. Björklund & Salvanes, 2010; Holmlund, Lindahl, & Plug, 2011) [1]. Die Ergebnisse dieser Studien sind jedoch sehr unterschiedlich hinsichtlich der Frage ob es überhaupt einen systematischen Unterschied gibt und falls ja ob sich dieser auf Söhne und Töchter in unterschiedlichem Masse auswirkt. Wir vermuten deshalb, dass es keinen systematischen Zusammenhang gibt. Die zweite zu testende Hypothese lautet entsprechend:

Hypothese 2: Der Einfluss des Ausbildungsabschlusses der Mutter unterscheidet sich nicht vom Einfluss des Ausbildungsabschlusses des Vaters.

  • [1] Es gilt zu beachten, dass sich diverse Literaturstränge mit dem Einfluss der mütterlichen im Vergleich zur väterlichen Ausbildung beschäftigen. Aufgrund des begrenzten Platzes fokussieren wir im vorliegenden Beitrag auf Studien aus der ökonomischen Literatur.
 
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