Kategorie 7: „Wir sind die Paten“: Die Patenrolle und die Bedeutung und Wirkung der Patentreffs als Lernmethode

Die Patinnen haben Interesse an den Erfahrungen der jeweils anderen Paten. Die Möglichkeit des (Erfahrungs-) Austauschs im Rahmen der „Patenhocks“ wird positiv betont.

„Was ich ganz gut bei der Hauspatenrolle jetzt finde, dass mer hier des bespreche kann. Dass mer sich austausche kann. Dass mer au Tipps, gute Tipps kriegt, was mer tun soll und nicht tun soll, wenn i was wisse will, dass mer hier drüber spreche kann, was andre machen würden oder so.“

„Dass mer net allein auf weiter Flur isch und denn nachher den Ärger in sich reinschaufelt.“

„Also, des muss ich scho frage, was macht ihr, wenn ihr jemand im Haus habt, wo keine Kehrwoch macht.“

Die Paten bekunden allesamt, durch den Patenhock dazugelernt zu haben. Die Leitfragen der Moderatorin werden als hilfreich betrachtet.

„Ich habe meine Hausaufgaben gemacht.“ „Das sind jetzt nicht unbedingt Hausaufgaben, aber wenn man die Fragen so vorher hat, dann achtet man vielleicht ein bisschen anders drauf.“ „Nee, des isch viel einfacher, wenn man da ʼne Vorgabe hat, wonach man sich richte kann.“ „Genau.“

Ein Bewusstsein darüber, dass es verschiedenartige Konflikte geben kann, wurde geschaffen beziehungsweise gestärkt. Darüber hinaus bezeugen die Patinnen, auch Lösungsansätze und Lösungsstrategien gelernt zu haben. Beispiele:

„Nö. Ich hab dann nachher durchaus gelernt, dass es da verschiedene Ansatzpunkte gibt, wie man dann nachher, wenn Konflikte auftreten, ich hab ja gar nicht gewusst, dass es da so vielerlei Konfliktmöglichkeiten gibt, bei uns im Haus gibt's ja keine Konflikte. Die kommen vielleicht erscht noch. Aber, was für Möglichkeiten man da hat, um diese Konflikte anzugehen, des hon i auf jeden Fall schon glernt. Hab ich so vorher auch nicht gewusst, weil ich mich damit ja auch nicht auseinandersetzen musste.“

„Genau. Weil, wenn Sie keine haben, machen Sie sich da auch keine Gedanken drüber. Oder Sie nehmen des als gegeben hin. Aber dass des jetzt so viel Konfliktmöglichkeiten gibt, des war mir so jetzt nicht bewusst.“

Durch den Patenhock wurden die Patinnen vor allem darin bestärkt, auf andere Bewohner zuzugehen, andere anzusprechen und Schwierigkeiten auszusprechen. Das heißt prinzipiell besser oder überhaupt zu kommunizieren, anstatt sich zurückzuziehen. Als hilfreich wird dabei auch der Rückhalt durch die Gruppe wahrgenommen. Zudem wurde der Blickwinkel der Patinnen in Bezug auf die Nachbarschaft (weg vom Einzelfall, vom eigenen Haus) geweitet, was sich im Verständnis für andere und Toleranz auswirkt. Textbeispiele:

„I hon einfach irgenwie mehr die Courage zum was Sagen. Und zieh mich nicht nur zurück.

Ich hon au glernt. Ich kann au mit alle schwätze, des konnt ich sowieso schon. Aber jetzt fühl ich mich doch so richtig für alle verantwortlich. Also, wenn mer vielleicht mol en Bauund Sparverein anrufe muss, denn werde ich des mache und fühl mich richtig sicher. Ja, aber sonscht hom mir jo koine Probleme. Ja, was soll ich sagen, ich habe dieses Amt nicht inne. Ich mache es halt so, ich bin halt die „Letzwohnende“ im Haus. Und denn mach ichs also wenn irgendwas zu sagen ist. Von mir aus mach ich des. Aber so kann sich eigentlich jeder selbst bei uns helfen oder vertreten. Ich hab mich eigentlich schon bevor ich hier angefangen habe, in die Gruppe zu kommen, drum gekümmert um die Angelegenheiten im Haus. Aber jetzt sind diese Treffen hier, diese Patenhocks, hilfreich für mich? Ja, ja. Man hört mehr, man hört auch, wies in anderen Häusern ist. Des isch hilfreich, auch dass man über manches vielleicht hinwegsieht im eigenen Bereich, im eigenen Haus, wo man lebt. Der Tellerrand wird weiter, gell?“

„Also, was ich eigentlich glernt hon, mit de Mitbewohner, dass i do eher auf die zugehe. Also, was der Nachteil isch, des isch, dass die jetzt eher sagen: „Sag du was, du bisch etzt der Hauspate. Du joch jetzt die Verantwortung.“ Des isch des. I bin offener worre und red mehr mit denne über die Konflikte oder so. Also, des honn i glernt in dem Sinne.“

„Durch die Gruppe hab ich jetzt auch mehr Rückhalt, oder? Genau. Und mir ham ja des besproche ghabt, was i mache soll, des hon i ja gfragt, und des hot funktioniert. Also, des hab i glernt.“

Aus den gesamten Aussagen über den Patenhock lässt sich folgern, dass das Treffen der Patinnen von diesen selbst ausnahmslos als positiv und hilfreich bewertet wird.

Die Aussagen über die Patenrolle weisen auf, wie die Rolle von den Patinnen selbst wahrgenommen wird (Nachteile, Befürchtungen, Erwartungen und Schwierigkeiten), sowie wie (wahrgenommenen) Erwartungen von Hausbewohnern an die Patinnen in ihrer Rolle herangetragen werden.

Nach Darstellung der Paten selbst wird ihnen die Patenrolle von anderen Hausbewohnern deshalb zugebilligt, weil sie am längsten im Haus wohnen. Textbeispiele:

„Zu mir kommet se, weil i am längschte do bin, denn kommet se und saget zu mir, etzt guck halt du amol, dass der des macht.“

„Ich bin 73 und 38 Jahre hier. Drum sagt mer jo immer, i müsst was sage, weil i am längschte do bin, wenn was wär …“

Teilweise sehen Patinnen jedoch Schwierigkeiten beziehungsweise haben die Befürchtung, dass sie als Paten in Konflikten „zwischen die Stühle kommen“. Beispiel:

„Weil man selber ja gar nicht unbedingt so zwischen die Stühle kommen will. Vom Gefühl her möchte man ja eigentlich eher draußen bleiben als drin sein im Konflikt. I moin, des isch jetzt der Nachteil von der Patenrolle.“

Eine weitere Befürchtung der Patinnen ist, dass andere Hausbewohner ihnen unangenehme Aufgaben „zuschieben“ und damit ihre Eigenund Mitverantwortung einfach an die Paten übergeben wird. Textbeispiele:

„Also, was der Nachteil isch, des isch, dass die jetzt eher sagen: „Sag du was, du bisch etzt der Ding … du woisch des etzt und dann machen sie selbst gar nix mehr“.“

„Aber isch des wirklich en Nachteil, wenn mer dann nachher angsprochen wird, sag du erscht mal was. Wenn se was zum Aussetze hond bei jemand anders, heißtʼs: Machs du.“

Diese Befürchtungen beinhalten die Schwierigkeit (oder sogar teilweise eine Überforderung), mit Konflikten umzugehen, die eigene Person von der Hauspatenrolle zu distanzieren und sich gegebenenfalls von den Erwartungen der anderen (wenn diese die Aufgaben der Paten überschreitet) abzugrenzen.

Bei den Patinnen herrscht immer wieder auch Verunsicherung darüber, wie sie ihre Hauspatenrolle nach außen, das heißt gegenüber andern Bewohner aus dem Quartier, vermitteln sollen. Textbeispiele:

„Weil halt die Fragen von außerhalb kommen und ich auch nicht richtig weiß, was ich antworten soll.“

„Ich hätt ne große Frage. Weil, es hat ja immer geheißen, mir sind ja noch in Probe, mir sind ja gar keine richtigen Hauspaten. Weil ich da schon öfter drauf angsproche worre bin, und manche Leut, wo da bös drauf waret, dass sie des nicht sind, und da hab ich halt gsagt, sʼisch alles nur in Probe. Ich bin jetzt grad überrascht, dass mir jetzt Hauspaten richtig sind.“

Mit dieser Unsicherheit gehen Befürchtungen einher: dass sich andere von der Gruppe der Paten ausgeschlossen fühlen könnten, und ein Unwohlsein darüber, dass andere Bewohner eventuell denken, die Paten nähmen eine besondere – womöglich höhergestellte – Position im Haus/Quartier ein oder dass die Paten aus der Hausgemeinschaft ausgeschlossen würden.

„Ja, aber es gibt ja auch sicher welche, die damals, wo mer se angsproche hot, gedacht habe, des mach i it. Und die sich jetzt ärgeret.“

„Vielleicht kommt des ja rüber: In Ordnung, ihr seid die Hauspaten, ihr dürft jetzt nicht mehr mit rein. Verstandet Sie?“

Die folgende Unterkategorie erfasst einige wenige Beispiele dafür, dass verschiedene Patinnen oft sehr bewusst in ihrer Rolle als Patin handeln.

„Bei uns im Haus, da hab ich jetzt auch zu tun gehabt, wir hatten einen Trauerfall. Da hab ich das auch in die Hand genommen. Mir ham zusammen was gesammelt und ham eine Karte geschrieben und hon des halt so als Hauspate übernomme.“

„Also, bei uns hat ja am Samstag einer die Kehrwoche nicht gemacht. Es war aber gar nicht so schlimm. Und denn bin i angsproche worre von ner anderen Mitbewohnerin, alle hamʼs gmacht, nur der nicht, und ich muss dem des unbedingt jetzt sage, und ich sei doch Patin und ich soll des doch machen. Ich hab von seiner Mutter aber den Auftrag kriegt, dass ich ihm läuten soll, wenn jetzt die Kehrwoch isch. Denn hon i des gmacht. Aber i hon ihm gsagt ghet, es hot sich jemand beschwert, es goht it von mir aus. Und er hotʼs dann au gmacht. Aber der braucht halt en bissle en Anstoß. Aber i hon au gsagt zu derjenige, sagts ihm doch selber. Die sind per du und alles, aber noi, des macht mer nicht, no hoißts nochher, ich bin Patin.“

 
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