Fall 7: Herr T.: Er profitiert von der Gemeinwesenarbeit und den Hauspaten bei der Mobilisierung von nachbarschaftlicher Hilfe (Bericht der quartiersbezogenen Gemeinwesenarbeit)

Herr T. lebt seit 35 Jahren im Quartier und hat hier mit seiner Frau auch seine Kinder großgezogen. Er gehört zu denjenigen Bewohnern, die nicht müde werden, von „früheren nachbarschaftlicheren Zeiten“ zu schwärmen, in denen die Familien miteinander Radtouren und Bootsfahrten am See unternahmen, im Wald Holz machten und sich in allem gegenseitig unterstützt hätten. Bis vor ein paar Jahren lebten noch ein Ehepaar und eine verwitwete Frau aus dieser Zeit im Haus. Heute sei er allein mit „lauter Jungen und Ausländern“. Er beklagt: „Heute ist keine Nachbarschaft mehr gegeben. Heute will keiner mehr was vom andern wissen. Heute könntest du im Zimmer tot liegen und keiner merkt es.“ Die Nachbarn sehen das ganz anders: Sie sehen Herrn T. als Nörgler, als Besserwisser. Ein Nachbar (34 Jahre): „Er mault unsere Kinder an, beschwert sich bei der Wohnbaugenossenschaft über die Hausgemeinschaft.“ Als Herr T. einen Hirninfarkt erleidet und nach dem Klinikaufenthalt noch eine Rehabilitierungsmaßnahme ansteht, sprechen der Hausarzt und die Gemeinwesenarbeiterin des Quartiers zufällig miteinander auf der Str. Der Hausarzt hat Kontakt zu einer der Töchter von Herrn T., die 50 km entfernt mit ihrer Familie lebt, und vereinbart mit ihr, dass der ambulante Pflegedienst einmal täglich und zusätzlich einmal wöchentlich Herrn T. pflegerisch versorgt. Die Tochter will den Auftrag an einen Dienst vergeben. Die Gemeinwesenarbeiterin spricht nach Rücksprache mit der Tochter mit einer Hauspatin (vgl. Teilprojekt 1). Diese organisiert im Haus ein System nachbarschaftlicher Hilfe mit Einkaufen, Reinigung des Treppenhauses, Reinigung der Wohnung, bei Bedarf auch Frühstück und Abendessen bereiten und Wäsche waschen. An dem individuell organisierten Nachbarschaftsdienst sind zwei der im Haus lebenden Bewohner/Familien beteiligt. Während eine ambulante pflegerische Versorgung über die Pflegeversicherung finanzierbar ist, werden die Nachbarn von der Tochter als Haushaltshilfen „unter Vertrag genommen“. Obwohl Herr T. die Nachbarschaft schon lange nicht mehr gepflegt hat, ist es hier gelungen, durch die aktive Zusammenarbeit von Hauspatin und Gemeinwesenarbeiterin im Quartier und durch die Unterstützung der Tochter sowie des Hausarztes für Herrn T. eine akzeptable und inklusive Form der Versorgung zu erreichen. Diese Versorgung fand zur Zeit der Berichterstattung bereits eineinhalb Jahre erfolgreich statt. Herr T. ist mit ihr ebenso zufrieden wie die anderen Beteiligten. Befragt wurden der ambulante Dienst, die Helfer im Haus, die Patin und die Gemeinwesenarbeiterin.

 
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