Fall 8: Ehepaar M.: Wer ein„guter Nachbar“ ist, dem wird auch in der Not geholfen) (Bericht der Gemeinwesenarbeiterin des Forschungsprojekts)
Das Ehepaar M. (78 und 72 Jahre) ist nach der Wende aus B: zugezogen. Herr M. war viele Jahre „ein guter Geist“ in Haus und Garten. Er half drei alleinstehenden Frauen im Haus gerne bei kleineren Reparaturen und pflegte, zusammen mit einer türkischen Familie, den Garten. Initiativ war er auch bei einem Sommerfest, das die Bewohner des Hauses jeden Sommer am Tag des Schulferienbeginns im Garten des Wohnhauses veranstalteten. Als Frau M. infolge einer Operation pflegebedürftig wurde, musste Herr M. von seinen vielerlei Aktivitäten zurücktreten. Er berichtete der Gemeinwesenarbeiterin davon, wie schwer ihm das falle. Diese organisierte im Treff des Quartiers eine Hausversammlung. In ihr wurden die gegenseitigen Hilfestrukturen neu verteilt und es wurde Herr M. von seinen ehrenamtlichen Funktionen, aber auch einem Teil seiner eigenen Mieteraufgaben im Haus entlastet. Die Schnelligkeit, mit der bei dieser Versammlung Lösungen gefunden wurden, war erkennbar Ausdruck der hohen Akzeptanz, die Herr M. im Haus genossen hat. Jedoch brauchte das Haus, in dem kein Hauspate lebt, um Hilfen zu organisieren und zu klären, eine externe Moderation durch die Gemeinwesenarbeiterin. Diese Moderation sprach auch die Möglichkeiten an, im Falle von eigener Überlastung aus einer Verpflichtung auszusteigen, und sicherte ihre Hilfe bei der Suche nach einer alternativen Lösung zu.
Fälle 9 und 10: Nicht alle Probleme können nachbarschaftlich und im Pflegemix gelöst werdenWohnung und Gesundheitszustand setzen Grenzen (Fallvorlagen der Gemeinwesenarbeiterin des Forschungsprojekts)
Frau P. ist 90 Jahre alt und wohnte seit 18 Jahren im dritten Stock eines SechsFamilien-Hauses. Sie hatte keine Kinder, aber immer einen guten Kontakt zu den Nachbarn. Diese unterstützten sie die letzten zehn Jahre beim Tragen von Taschen und bei der Reinigung des Treppenhauses. Dennoch hat Frau P. seit zwei Jahren eine organisierte Nachbarschaftshelferin für hauswirtschaftliche Aufgaben, da sie „immer selbstständig sein wollte und die Nachbarn nicht über Gebühr belasten“ will. Ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten übernahm mehr und mehr ihr Steuerberater. Einen Einschnitt gab es, als die Frau P. unterstützende professionelle und bezahlte Nachbarschaftshelferin der Organisierten Nachbarschaftshilfe nach einem Jahr von Ravensburg wegzog und Frau P. kurz nacheinander zweimal stürzte. Von den Folgen der Stürze erholte sich Frau P. trotz Rehabilitation nicht mehr. Ein Betreuer wurde eingesetzt. Als Frau P. nach der Rehabilitation zwar nochmals nach Hause kam, das Haus jedoch infolge der Gehbehinderung nicht mehr verlassen konnte und sich auch in der Wohnung, die nicht rollstuhlgerecht war, kaum mehr bewegen konnte, entschieden sich der Betreuer und Fr. P. für einen Umzug in ein nahe gelegenes Heim im Stadtteil, in dem zu diesem Zeitpunkt ein Einzelzimmer frei war. Der Umzug ins Heim im Quartier kam nicht infrage, da die Wartezeit hier größer gewesen wäre. Herr Z. ist, wie seine Frau, 75 Jahre alt. Beide leben seit 20 Jahren im Haus im zweiten Stock. In diesem Haus lebt eine Hauspatin, die sich intensiv um Herrn und Frau Z. kümmert. Herr Z. hat Pflegestufe zwei und ist gehbehindert. Der Pflegedienst des Quartiers kommt einmal wöchentlich, alle anderen pflegerischen Aufgaben übernimmt Frau Z. Die Reinigung des Treppenhauses hat sie an eine Reinigungsfirma vergeben. Für Großeinkäufe kommt die Tochter und fährt mit der Mutter zum Supermarkt. Ansonsten kauft Frau Z. selbst in der unmittelbaren Nachbarschaft ein. Herr Z. verlässt die Wohnung seit einer Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustands nicht mehr. Die Eheleute haben sich, da ihre Kinder im Zentrum der Stadt Ravensburg leben, dort auf die Warteliste einer betreuten Wohnanlage setzen lassen. Als sie an der Reihe sind, ziehen sie dorthin um. Es findet kein Gespräch mehr mit den Diensten des vor Ort tätigen Altenhilfeträgers beziehungsweise der Gemeinwesenarbeit statt. Die Patin im Haus verweist darauf, dass für den Umzug die Kinder ausschlaggebend gewesen seien und auch das Freiwerden einer Wohnung im Erdgeschoss die Vorentscheidung nicht habe korrigieren können. Frau Z. fällt der Umzug sehr schwer und sie wird noch regelmäßig zum „Mittwochscafé“ im Treff abgeholt.
Die Fallbesprechung zu den Fällen 8, 9 und 10 zeigte deutlich, dass nicht in allen Fällen Lösungen im Kontext des gemeinsamen Angebots von Bauund Sparverein eG und Altenhilfeträger möglich oder auch erfolgreich sind.