Ungleichheiten jenseits des Klassennexus
In den letzten Jahrzenten wird vielfach diskutiert, dass die bis in die 1970er Jahre dominante Fokussierung auf den Klassennexus viele Ungleichheiten jenseits davon ausblendet. Vor allem rassistische und sexistische, aber auch weitere
„neue Ungleichheiten“ bzw. Diskriminierungen wurden thematisiert, z.B. in Bezug auf körperliche Fähigkeiten (ableism), Religion, Alter oder Sexualität (Adams et al. 2000). Die theoretische Aufarbeitung der zentralen Kategorien sozialer Ungleichheit beschränkt sich hier auf die Trias von Class, Race und Gender – die drei Bereiche, die in der Literatur zu multipler Ungleichheit und Intersektionalität am häufigsten genannt werden. Cornelia Klinger (2008a) führt dies darauf zurück, dass mit diesen drei Achsen sozialer Ungleichheit die zentralen gesellschaftlichen Strukturprinzipien auf der Makro-Ebene benannt werden. Um diese Frage näher zu betrachten, wird im Anschluss kurz auf Theorien zu Geschlechter- und rassistischer bzw. ethnischer Ungleichheit eingegangen, um dann auf das Zusammenwirken von Class, Race und Gender einzugehen.
Geschlecht/ Gender
In feministischen Debatten wird der Trennung zwischen Öffentlichkeit und Privatheit (vgl. z.B. Randall 2002) große Aufmerksamkeit zuteil: Die Zuweisung der privaten Sphäre an Frauen und die damit verbundene unbezahlte Arbeit steht der Zuschreibung der öffentlichen Sphäre für die Männer gegenüber[1]. Damit sind politische Partizipationsrechte und bezahlte Arbeitsverhältnisse verbunden. Zusätzlich wirken Mechanismen, die ein geringeres Niveau der Bezahlung in vornehmlich von Frauen ausgeübten Berufen zur Folge haben (vgl. Knapp 2006; Nowak 2009). Demnach sind öffentlich wahrnehmbare Rollen in der Politik und der Arbeitswelt Männern zugedacht, während Frauen die unbezahlte und „schmutzige“ Haushaltsbzw. Reproduktionsoder Care-Arbeit zukommt (Bakker und Silvey 2008; Duffy 2007; England 2005; Madörin 2006). Im Gegensatz zur männlich dominierten Erwerbsarbeit ist die weiblich dominierte Reproduktionsarbeit teilweise unter-, aber weitgehend unbezahlt (Lewis et al. 2008) und gesellschaftlich weitgehend „versteckt“ (Himmelweit 2002). Im privaten Haushalt „unsichtbar“ gemacht, sind Frauen dann in weiterer Folge vulnerabel in Bezug auf Gewalt, die oftmals inner-familär ausgeübt wird (Moussa 2008).
- [1] Der in feministischen Theorien verwendete Begriff von Öffentlichkeit unterscheidet von einem Verständnis, das den Begriff auf staatliches Handeln im engeren Sinn bezieht. FeministInnen rekurrieren meist nicht primär auf den Gegensatz zwischen Staat und privater Sphäre, sondern thematisieren den Haushalt als Ort privater Familienangelegenheiten – die zu politisieren und damit öffentlich zu machen sind. Dadurch fällt in ersterem Zugang der Bereich sozio-ökonomischer Beziehungen wie z.B. Lohnarbeit in nicht-staatlichen Betrieben in den Bereich des Privaten, während feministische Zugänge dies im Öffentlichen ansiedeln würden (Okin 1991, S. 68f.).