Regierung
Nach Art. 118 der kambodschanischen Verfassung bildet der Ministerrat, geführt vom Ministerpräsidenten, die Königliche Regierung. Der Premierminister und die Kabinettsmitglieder werden nach Investitur durch die Nationalversammlung vom König ernannt.
Bis 2006 war hierzu eine förmliche Vertrauensabstimmung mit Zweidrittelmehrheit nötig; seither genügt die absolute Mehrheit (Art. 90). Die Mitglieder des Ministerrats müssen nicht zwingend der Nationalversammlung angehören. Die Abwahl einzelner Minister oder des Regierungschefs durch ein einfaches Misstrauensvotums ist möglich, doch bislang noch nicht vorgekommen.
Die Rolle des Ministerpräsidenten im Kabinett ist zentral. Artikel 9 des Gesetzes über die Organisation des Ministerrats von 1994 gibt ihm die uneingeschränkte Organisationshoheit und Leitungsfunktion[1]. Formal bestand zwischen 1993 und 2013 eine Koalitionsregierung aus KVP und FUNCINPEC, zunächst angeführt von zwei gleichberechtigten Ministerpräsidenten und seit 1998 unter alleiniger Führung von Hun Sen. Seit dem desaströsen Wahlergebnis der FUNCINPEC von 2013 bildet die KVP alleine die Regierung.
Die 1993 zwischen den Regierungsparteien vereinbarte Machtteilung bildete das Einfallstor für den Aufbau eines Versorgungssystems, das durch Ämterwucher einen überdimensionierten Regierungsapparat erzeugt hat. So kam es 1993 zur Einsetzung von zwei Ministerpräsidenten und auch innerhalb der Ministerien (sowie in der Staatsverwaltung und im Militär) sicherten sich die Parteien ihren Anteil an der Postenvergabe. Das bewirkte eine Vervielfachung der Strukturen und Ämter, da es zu jedem Minister der einen Partei, einen Stellvertreter aus der anderen Partei gab. Zudem wurden Staatssekretärsposten mehrfach besetzt und in den integrierten Streitkräften die Kommandeursstrukturen nach Parteienproporz aufgebläht (Ashley 1998, S. 55). Der Regierungsapparat wurde nach der Entmachtung von Prinz Ranarridh und seiner FUNCINPEC im Sommer 1997 noch ausgebaut. So verfügt Kambodscha inzwischen über eines der größten Kabinette weltweit: Dazu gehörten Ende der letzten Dekade außer dem Ministerpräsenten selbst acht stellvertretende Premierminister, 28 Seniorminister, 135 Staatssekretäre, 146 Unterstaatssekretäre sowie etwa 1.000 besoldete Regierungsberater im Range eines Ministers oder Staatssekretärs (Karbaum 2008, S. 118 ff.). Damit kamen auf einen Abgeordneten der Nationalversammlung knapp elf Kabinettsmitglieder.
Die Vervielfachung der Kabinettsposten und die organisatorische Fragmentierung der Regierung dienen in erster Linie dem Machterhalt des Premierministers. Diese Entwicklung geht mit der Entwertung der Fachministerien einher, denen oft nicht mehr als die Verrichtung von Routineaufgaben obliegt, sowie der Zentralisierung der Kabinettsmacht im Büro des Premierministers, welches die administrativen Aufgaben des Ministerrats wahrnimmt (Karbaum 2008, S. 118 ff.). Mit seinem großen Mitarbeiterstab fungiert das Büro als Regierungszentrale und wurde bis 2013 von einem Seniorminister im Range eines stellvertretenden Premierministers geleitet. Dieser bekleidet zugleich den Vorsitz in einer Vielzahl der fast 50 Kabinettsausschüsse, Regierungskommissionen, Räte und Komitees, darunter der für Reformen in Justiz, Armee und Regierung zuständige Oberste Rat für Staatsreformen sowie die Nationale Ölbehörde (Karbaum 2013). Beides, die Fragmentierung der Strukturen und die Zentralisierung von Entscheidungsmacht, dienen dem politischen Überleben Hun Sens: Sie erlauben die Berücksichtigung der Interessen und möglichen Störpotentiale der Mitglieder seiner Regimekoalition, verhindern jedoch, dass einzelne Regierungsmitglieder eine unabhängige Machtbasis aufbauen und seine Herrschaft von „innen“ herausfordern können. In diesem Sinne ist die große Zahl der Minister eine Folge der politisch gewollten Kooptation von Eliten innerhalb der Institutionen von Staat und Regierung.
- [1] Royal Government of Cambodia (1994).