Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

§ 86a StGB verbietet es, Symbole, die verbotene Parteien oder Vereinigungen repräsentieren, zu verbreiten oder zu verwenden. Er entspricht dem Unzulässigkeitstatbestand in § 4 Absatz 1 Nr. 2 JMStV.

§ 86a StGB lautet:

"(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1. im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Absatz 1 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften (§ 11 Absatz 3) verwendet oder

[…]

(2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.

[…]"

Der Begriff des Kennzeichens nach Absatz 2 umfasst alle Erkennungszeichen, die für eine bestimmte Partei oder Vereinigung typisch sind. Das bekannteste verbotene Symbol ist das Hakenkreuz. Aber auch Grußformeln wie "Heil Hitler", "Sieg Heil "oder "Meine Ehre heißt Treue" sind strafbar. Daneben dürfen auch Kampfund Propagandalieder wie das Horst-Wessel-Lied als Kampflied der SA gemäß § 86a StGB nicht verbreitet werden. Schon die Verwendung markanter Textteile eines solchen Liedes kann den Tatbestand verwirklichen (BVerfG, Beschluss vom 18. 05. 2009, AZ 2 BvR 2202/08).

Dieses Verbot allein zeigte allerdings nur begrenzte Wirkung, da sich Neonazis hierauf schnell eingestellt haben und stattdessen verbotene Kennzeichen in leicht abgeänderter Version benutzen, um einer Bestrafung zu entgehen. Zwar hat der Gesetzgeber inzwischen auch Kennzeichen unter Strafe gestellt, die den ursprünglichen Symbolen zum Verwechseln ähnlich sind – die Verwendung eines geschwungenen oder seitenverkehrten Hakenkreuzes ist ebenso strafbar wie das Original – allerdings gilt ein Symbol nur dann als zum Verwechseln ähnlich, wenn ein objektiver Beobachter ohne Hintergrundkenntnisse das Kennzeichen verwechseln könnte. Die Szene nutzt daher mit Vorliebe Ersatzsymbole: Viele dieser Zeichen – zum Beispiel der Zahlencode 88 als Synonym für Heil Hitler – sind nur in der Szene eindeutig und nicht für jeden auf den ersten Blick als Ersatz für den verbotenen Gruß erkennbar. Solche Symbole fallen nicht unter § 86a StGB, da sie objektiv nicht den verbotenen Zeichen ähneln.

Mitte 2005 entschied beispielsweise der Bundesgerichtshof, dass das Skandieren der Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" nicht nach § 86a StGB strafbar ist, weil es sich dabei um eine von Rechtsextremen neu ausgedachte Wortschöpfung handelt und diese für den objektiven Beobachter nicht den nach § 86a StGB verbotenen Parolen von Hitlerjugend ("Blut und Ehre") und Waffen-SS ("Meine Ehre heißt Treue") zum Verwechseln ähnlich ist (vgl. Urteil des BGH vom 28. 07. 2005, AZ 3 StR 60/05). Diese Entscheidung wurde auch durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt (BVerfG, Beschluss vom 01. 06. 2006, AZ 1 BvR 150/03).

Ebenso verhält es sich mit Kleidung bestimmter rechtsextremer Szenemarken. Das Tragen dieser Marken – zum Beispiel Consdaple – stiftet Zusammenhalt und signalisiert Zugehörigkeit. Unter einer offenen Jacke getragen, ist von einem Consdaple-T-Shirt nur noch NSDAP zu lesen, die Abkürzung für die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. Dies ist nach einer Entscheidung des OLG Hamm aus dem Jahre 2003 nicht verboten, da der Begriff Consdaple nur vom Szene-Kenner als Kennzeichen der NS-Partei decodierbar sei (OLG Hamm, Urteil vom 09. 10. 2003, AZ 2 Ss 407/03).

Im Jahr 2006 haben Richtersprüche einzelner Gerichte für Aufsehen gesorgt, in denen Personen, die ein Emblem mit einem durchgestrichenen Hakenkreuz in der Öffentlichkeit trugen, wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt worden waren. Zwar enthalten solche Antifa-Logos ein Hakenkreuz, doch unterscheidet sich die Botschaft deutlich von der nationalsozialistischen. Für jeden objektiven Beobachter ist das klare Statement gegen jedwede Wiederaufnahme nationalsozialistischer Bestrebungen offensichtlich und damit erkennbar, dass gerade keine Verwendung im Sinne eines verbotenen Kennzeichens nach § 86a StGB beabsichtigt ist. Entsprechend hob der BGH ein Urteil des Landgerichts Stuttgart auf und stellte klar:

"Der Gebrauch des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation in einer Darstellung, deren Inhalt in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, läuft dem Schutzzweck der Vorschrift ersichtlich nicht zuwider und wird daher vom Tatbestand des § 86a StGB nicht erfasst" (BGH, Urteil vom 15. 03. 2007, Az. 3 StR 486/06).

 
< Zurück   INHALT   Weiter >