Verantwortlichkeit von Providern
Anbieter, bei denen Rechtsextreme ihre Website abgelegt haben (so genannte HostProvider), Betreiber von Auktionsplattformen, auf denen beschlagnahmte oder indizierte rechtsextreme Tonträger angeboten werden, Verantwortliche von Videoplattformen, sozialen Netzwerken oder ähnlichen Angeboten des Web 2.0 haften grundsätzlich nur mittelbar für Rechtsverstöße ihrer Nutzer. Dies ergibt sich aus dem Telemediengesetz (TMG). Dieses enthält allgemeine Regelungen zur Verantwortlichkeit im Internet. Nach § 10 TMG sind Diensteanbieter für
"[…]fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, oder sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben."
Demnach sind Diensteanbieter also für Rechtsverstöße ihrer Kunden erst dann verantwortlich, wenn sie von den Verstößen Kenntnis erlangt haben. Dies bedeutet gleichzeitig, dass sie nicht zu einer pro-aktiven Suche nach illegalen Inhalten auf ihrem Angebot verpflichtet sind. Gerade bei großen Plattformen, die über Millionen Nutzer und riesige Datenmengen verfügen, ist dies problematisch. So spricht zum Beispiel die Videoplattform YouTube davon, dass dort allein jede Minute über 72 Stunden an neuem Videomaterial hochgeladen werden (Bultje 2013). Das größte soziale Netzwerk Facebook verfügte Ende des dritten Quartals 2013 lt. eigenen Angaben über 728 Millionen täglich aktive Nutzer (26 Mio. deutsche Nutzer, Juni 2013). [1] Bei Verstößen gegen den Jugendschutz hat der BGH 2007 jedoch in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren um das Auktionshaus eBay klargestellt, dass es Umstände gibt, unter denen Diensteanbieter zu einer gewissen pro-aktiven Suche nach illegalen Inhalten verpflichtet werden können. In diesem Verfahren ging es um die Frage, ob eBay Maßnahmen ergreifen muss, um das wiederkehrende Anbieten von bestimmten beschlagnahmten oder indizierten Waren wirksam zu verhindern (BGH, Urteil vom 12. 07. 2007, AZ 1 ZR 18/04). Der BGH hat hierzu ausgeführt, dass sich die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht des Betreibers einer Internet-Auktionsplattform hinsichtlich fremder jugendgefährdender Inhalte als Prüfungspflicht konkretisiert, zu deren Begründung es eines konkreten Hinweises auf ein bestimmtes jugendgefährdendes Angebot eines bestimmten Anbieters bedarf. Der Betreiber der Plattform ist nicht nur verpflichtet, dieses konkrete Angebot unverzüglich zu sperren, sondern muss auch zumutbare Vorsorgemaßnahmen treffen, damit es möglichst nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt.
Noch weitreichender geht die aktuelle Rechtsprechung des BGH zur Störerhaftung sog. File-Hosting-Dienste in Bezug auf Verstöße gegen das Urheberrecht. Hier wurde der Betreiber eines entsprechenden Dienstes sogar zu einer umfassenden regelmäßigen Kontrolle der Linksammlungen verpflichtet, die auf seinen Dienst verweisen, wenn er durch sein Geschäftsmodell Urheberrechtsverletzungen in erheblichem Umfang Vorschub leistet (BGH, Urteil vom 15. 08. 2013 – AZ 1 ZR 80/12).
Ist das Geschäftsmodell eines File-Hosting-Dienstes nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegt, ist der Umstand, dass der Betreiber durch eigene Maßnahmen die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung des Dienstes fördert, bei der Bestimmung des Umfangs der ihm als Störer obliegenden Prüfpflichten zu berücksichtigen (Fortführung von BGH, Urteil vom 12. 07. 2012 – AZ 1 ZR 18/11).
Auch wenn diese wettbewerbsund urheberrechtlichen Entscheidungen nicht direkt auf Strafrecht und Jugendschutzrecht übertragbar sind, so kann man daraus aber unter Umständen ableiten, dass Diensteanbieter auch im Bereich dieser Rechtsverstöße – im Rahmen der technischen Möglichkeit und Zumutbarkeit – verpflichtet sein können, dafür zu sorgen, dass bereits vorgekommene Rechtsverstöße (z. B. ein strafbares, rechtsextremes Video, ein Profil mit bestimmten, volksverhetzenden Inhalten) nicht erneut auf ihrer Plattform auftauchen.
- [1] socialmediastatistik.de/, zuletzt abgerufen am 05. 12. 13