Postindustrielle Gesellschaften
In spätindustriellen Wissensgesellschaften wird das Bildungssystem immer weiter ausgebaut. Dieser Ausbau und auch der Unterhalt des Bildungssystems sind finanziell aufwendig und beanspruchen einen stetig wachsenden Teil der wirtschaftlichen Leistung. Dementsprechend finden sich umfassende Bildungssysteme vor allem in reichen Gesellschaften. Zudem fördern sie aber auch die wirtschaftliche Entwicklung und sind für ein nicht zu unterschätzenden Anteil an der wirtschaftlichen Produktion verantwortlich.
In postindustriellen Gesellschaften differenziert sich das Bildungssystem immer weiter aus. So wird nicht nur ein Mehr an Wissen produziert und gelernt, sondern auch vielmehr Spezialwissen erzeugt, was nur für bestimmte Gruppen und Berufe relevant ist. Aus dem weitgehend standardisierten Bildungssystem entwickeln sich somit vielfältige Bildungseinrichtungen mit hochspezialisiertem Wissen mit immer unterschiedlicheren Bildungszertifikaten.
In Folge der hohen Bedeutung die der Bildung in postindustriellen Gesellschaften für das Berufsund Alltagsleben zukommt, besuchen immer mehr Menschen immer länger Schulen und Universitäten und erlangen dabei immer höherwertigere Abschlüsse. Vor allem aufgrund des stetigen ansteigenden Wissens müssen Bildungseinrichtungen, auch wenn heute immer mehr Wissen vermittelt wird, immer mehr auswählen, welches Wissens gelehrt wird und welches Wissens eben nicht (Funktion der Wissensselektion). Dementsprechend besteht auch ein Teil des gelehrten Wissens gar nicht so sehr in Daten-Wissen, sondern vielmehr in einem Wissen, wie Wissen gelehrt, erworben, bewertet und verarbeitet werden kann.
Mit dem ständigen Anwachsen der Wissensbestände geht schließlich auch einher, dass Lebenslanges Lernen und Umlernen immer wichtiger wird. Nur mit einem ständigen Lernen und Verarbeiten von Wissensbeständen ist es möglich, den ständig veränderten Anforderungen gerecht zu werden. Um dies zu gewährleisten, ist es nötig, dass Weiterbildungseinrichtungen ausgebaut werden. Aber nicht nur die Wissensbestände und das Bildungssystem werden immer spezieller. Auch die Gesamtgesellschaft differenziert sich immer weiter aus, wie es vor allem Emile Durkheim schon vor hundert Jahren anschaulich aufgezeigt hat. Dementsprechend lässt sich nach dem modernisierungstheoretischen Modell annehmen, dass auch die Lebensformen, die kulturellen Grundlagen immer pluraler werden, sodass sich eine Vielzahl neuer kultureller Gemeinschaften ausbildet. Daher gehen in Familien, Freundeskreisen und Medien auch die Vorstellungen über Verhaltensweisen und Normen immer weiter auseinander. Dementsprechend kommt den Bildungseinrichtungen auch immer mehr eine Normimplementierungsfunktion zu, die dafür sorgt, die von der Politik allgemein verbindlichen Vorgaben zu konkretisieren und durchzusetzen.