Vermögensverteilung
Wer in der Einkommensverteilung einer Gesellschaft oben steht, hat nicht nur bessere Lebensbedingungen. In der Regel bewerten besser Verdienende das Gefüge sozialer Ungleichheiten auch anderes als Niedriglohnempfänger. Der jeweilige Einkommensstatus beeinflusst aber auch die Sparfähigkeit der Gesellschaftsmitglieder und damit ihre Vermögensbildung und ihren Vermögensbestand. Neben den Einkommen aus Erwerbstätigkeit, aus staatlichen Transferzahlungen und fallweisen Vererbungen und Schenkungen fließen den Vermögenden auch Einkünfte wie Zinsen, Mieten oder Dividenden aus ihren Vermögensbeständen zu. Diese Einkommen verbessern wiederum die Möglichkeiten zur weiteren Vermögensbildung.
„Da einerseits die kleinen Einkommen fast ausschließlich zu Verbrauchsausgaben verwendet werden, während ein sehr erheblicher der Großeinkommen gespart wird, da andererseits die hohen Einkommen vorwiegend aus Gewinn und Zinseinkommen bestehen, also Besitzeinkommen sind, fällt zwangsläufig der weitaus größte Teil des jeweiligen neugeschaffenen Volksvermögens denjenigen zu, welche besitzen.“ (Föhl 1964, S. 40). Deswegen ist die Verteilung des Vermögens in allen bekannten Gesellschaften ungleicher als die des Einkommens.
Was ist Vermögen?
Vermögen existiert in sehr unterschiedlichen Formen. Üblicherweise werden Immobilienvermögen (etwa Hausund Grundbesitz) und Geldvermögen (Sparguthaben, Bausparguthaben, Versicherungsguthaben, Wertpapiere, Aktien, Termingelder, Aktienfondanteile etc.) unterschieden. Zu beachten ist jedoch, dass das Gebrauchsvermögen (Kraftfahrzeuge, Kunstwerke oder Möbel) hierin nicht enthalten ist. Ferner ist zu trennen zwischen positivem und negativem Vermögen, die auch als Schulden bezeichnet werden. Als Netto-Vermögen werden die Vermögensbestände eines Haushalts bezeichnet, nachdem von dessen positiven Vermögensbeständen die Schulden abgezogen wurden (Deutsche Bundesbank und Statistisches Bundesamt 2013; S. 4, Niehues und Schröder 2012, S. 90).
Überblick
Im Jahr 2012 verfügten die Privathaushalte in Deutschland über ein Gesamtnettovermögen von 6,3 Billionen Euro. Im Durchschnitt waren das etwa 83.000 € pro erwachsener Person ab 17 Jahren (Grabka und Westermeier 2014, S. 153). [1] Die Gesamtverteilung des Vermögens weist, wie in Abb. 7.6 ersichtlich, für das Jahr 2012 eine ausgeprägte Ungleichverteilung der Vermögen auf. Etwa 20 % aller Erwachsenen verfügten 2012 über kein Vermögen. 7,4 % aller Erwachsenen verfügten sogar über ein negatives Vermögen und damit praktisch über Schulden. Demgegenüber besaßen die vermögendsten 10 % der Bevölkerung ein Vermögen von mindestens 217.000 € und die reichsten 1 % ein durchschnittliches Vermögen von 817.000 €. Der Gini-Koeffizient für die Vermögensungleichheiten betrug 0,78 (Abb. 7.6).
Ein Vergleich der Vermögensbestände nach bestimmten sozialen Merkmalen zeigt, dass die Anhäufung von Vermögen nicht nur von dem Einkommen und der Berufsposition abhängig ist, sondern auch von dem Geschlecht, dem Alter und der Frage, ob die Person in Ostoder Westdeutschland wohnt (Faik und Schlomann 1997; Grabka und Westermeier 2014; Lauterbach und Tarvenkorn 2011; Weinert 1997). So verfügten beispielsweise Frauen 2012 im Durchschnitt über 70.000 €, während Männer mit 97.000 deutlich mehr Vermögen besaßen. Das durchschnittliche Nettovermögen in Ostdeutschland war um mehr als die Hälfte geringer als in Westdeutschland. Dementsprechend hatten Personen in Ostdeutschland im Durchschnitt etwas weniger als die Hälfte des Vermögens, das in Westdeutschland verfügbar war. Unter Berücksichtigung des Alters zeigt sich hingegen, dass die Unterschiede zwischen Ostund Westdeutschland zunehmend erst ab 40 Jahren zu beobachten sind. Bei Jüngeren sind kaum Unterschiede feststellbar. Zurückzuführen ist dies unter anderem darauf, dass die Mehrheit der Personen in der DDR kaum Möglichkeiten hatten, Vermögensbestände auszubilden. Die Abhängigkeit
Abb. 7.6 Individuelles Nettovermögen nach ausgewählten Perzentilen von Erwachsenen Person ab 17 Jahren in Deutschland. (Quelle: Grabka und Westermeier 2014, S. 156)
der Vermögensbildung vom Alter lässt sich vor allem dadurch erklären, dass Menschen während ihrer Ausbildungszeiten und vor Eintritt in das Erwerbsleben kaum finanzielle Ressourcen haben, zu sparen. Dementsprechend ist in der Altersgruppe bis 25 Jahre kaum Vermögen zu beobachten. Erst mit zunehmendem Alter und durch bessere Einkommen verbessern sich die Möglichkeiten zum Sparen. Hinzu kommen mit fortgeschrittenem Alter Schenkungen oder Erbschaften sowie der Kauf von Immobilien. Demzufolge ist in der Altersgruppe der 66bis 70-jährigen das individuelle Nettovermögen in Folge von bestehendem Immobilienvermögen am höchsten (Grabka und Westermeier 2014, S. 160 ff.).
- [1] Grundlage der Daten ist das Sozioökonomische Panel (SOEP). Da davon auszugehen ist, dass Milliardäre und Multimillionäre dort deutlich unterrepräsentiert sind, werden die Ungleichverteilungen eher unterschätzt. In den Angaben der Deutschen Bank und des Statistischen Bundesamtes (2013) werden als Nettovermögen 10,7 Billionen ausgewiesen.