Entwicklungstendenzen
Die Entwicklung der Vermögensverteilung zeigt seit Jahren eine anhaltende hohe ungleiche Verteilung der Vermögensbestände. Während einige Studien darauf hinweisen, dass seit den 1950er Jahren bis in die 1990er Jahre hinein eine leichte Angleichung festzustellen war, weisen neuere Studien seit Mitte der 1990er Jahren eine Zunahme der Vermögensungleichheiten nach, die seitdem auf hohem Niveau verharrt (Bundesregierung 2001, 2013; Crouch 1999; Grabka und Westermeier 2014; Frick und Grabka 2009; Stein 2001) (Abb. 7.8).
Die Gründe für die Entwicklung der Vermögenskonzentration sind zum einen aufgrund der Abhängigkeit der Vermögensbildung von Erwerbseinkommen in der Struktur der Erwerbsbiographien und des Arbeitsmarktes zu sehen, die in Folge unsteter Erwerbsbiographien mit zeitweiliger Arbeitslosigkeit für bestimmte Bevölkerungsgruppen eine Vermögensbildung erschweren. Zum anderen beeinflussen auch verschiedene politische Rahmenbedingungen die Entwicklung der Vermögensverteilung wie die Veränderung des Erbschaftsrechts, die veränderten Rentenreformen, die eine private Zusatzversicherung für viele, aber nicht alle attraktiv erscheinen lässt oder Veränderungen durch die Sozialgesetzgebung, die im Prinzip das Vermögen Arbeitsloser auf die staatlich gezahlten Sozialleistungen anrechnet. Hinzu kommen vor allem für die Zukunft die Auswirkungen des demographischen Wandels, die nicht nur die Vererbung von Vermögen auf weniger Kinder beinhaltet, sondern auch in Folge der Abhängigkeit der Vermögensbildung von dem Alter eine zunehmende Konzentration von Vermögen erwarten lässt.
Abb. 7.8 Verteilung des Nettogesamtvermögen in Deutschland 1973–2012. (Quelle: Bundesregierung 2001, S. 299; Frick und Grabka 2009, S. 57; Grabka und Westermeier 2014, S. 153; Stein 2001, S. 2; eigene Darstellung)
Internationaler Vergleich
Aussagen über Vermögensbestände im internationalen Vergleich sind nur eingeschränkt und nur für wenige Länder verfügbar. [1] Im Jahr 2012 war das Ausmaß der Ungleichheit in Deutschland und Österreich mit einem Gini-Koeffizient von 0,76 in Europa am größten. Im Vergleich dazu war die Ungleichverteilung der Vermögen in Frankreich (0,68), Portugal (0,67), Finnland (0,66) und Luxemburg (0,66) zwar um einiges geringer als in Deutschland. Dennoch sind die Vermögensbestände in diesen Gesellschaften immer noch bei Weitem ungleicher verteilt als die Einkommen. Relativ niedrige Vermögensungleichheiten konnten hingegen in Slowakei (0,45), Slowenien (0,53), Griechenland (0,56) sowie in Spanien (0,58) festgestellt werden (Bezrukovs 2013, S. 40) (Abb. 7.9).
Die Entwicklung der Vermögensverteilung im Zuge der Modernisierungsprozesse zeigt nach einer Phase vermutlich wachsender Vermögenskonzentration, dass sich der Vermögensbesitz in vielen westlichen Industriegesellschaften bis in die 1970er gesamtgesellschaftlich ausbreitete (Kaeble 1987, S. 52), was unter anderem auch auf die Zerstörung der Vermögenswerte während der beiden Weltkriege
Abb. 7.9 Verteilung des Nettogesamtvermögens in Europa 2012. (Quelle: Bezrukovs 2013,S. 40; eigene Darstellung)
zurückzuführen ist (Atkinson und Piketty 2007). In Großbritannien begann diese Entwicklung in Folge der frühen Industrialisierung bereits im 19. Jahrhundert und hielt dort auch länger an als in anderen Industriegesellschaften. Der Anteil der 1 % reichsten Haushalte am Gesamtvermögen belief sich 1924 in England und Wales noch auf 58 %. Im Laufe des 20. Jahrhunderts sank der Anteil am Gesamtvermögen ab und belief sich 1970 in Großbritannien auf 30 % und 1980 auf 23 % (Atkinson und Harrison 1978, S. 165 zit. n. Ring 2000, S. 126; Shorrocks 1987, S. 32 zit. n. Ring 2000, S. 126). Wenn auch bedeutend langsamer als in Großbritannien lässt sich auch in den Vereinigten Staaten eine Angleichung der Vermögensverteilung im 20. Jahrhundert beobachten. Die 1 % reichsten Haushalte besaßen im Jahr 1929 44,2 % des Gesamtvermögens. Bis 1976 fiel der Anteil auf 19,9 %. (Wolff 1996,
S. 436 zit. n. Ring 2000, S. 126). Manches spricht jedoch dafür, dass schon seit den 1960er Jahren die Angleichungstendenzen der Vermögensverteilung zum Stillstand gekommen sind (Smith 1987, S. 74 ff. zit. n. Ring 2000, S. 126). Ähnlich verlief die Entwicklung auch in Schweden. Dort schrumpfte der Vermögensanteil der 1 % reichsten Haushalte von 50 % im Jahr 1920 auf 21 % im Jahr 1975 (Spant 1987, S. 59 zit. n. Ring 2000, S. 126).
Seit den 1960er Jahren und der 1970er Jahre bricht die Entwicklung zu einer Angleichung der Vermögensbestände in vielen modernen Gesellschaften ab (Atkinson und Piketty 2007). Es ist in vielen Gesellschaften bisher jedoch nicht eindeutig ersichtlich, ob eine ungleichere Vermögensverteilung seit den 1970er und 1980er Jahren wieder zu beobachten ist. Es gibt zwar einige solcher Behauptungen (Atkinson und Piketty 2007; Wilterdink 1995 zit. n. Ring 2000, S. 127), aber empirisch nachgewiesen ist dies bisher nur für wenige Länder wie Frankreich, Großbritannien und vor allem den USA. Dort stieg der Anteil des Vermögens der 1 % reichsten Haushalte von 22 % im Jahr 1976 bis auf 42 % im Jahr 1992. Von allen Vermögensbeständen, die zwischen 1983 und 1989 in den USA neu entstanden sind, entfielen 99 % auf das vermögensreichste Fünftel der Haushalte (Wolff 1996 zit. n. Ring 2000, S. 128). Während in den USA und Großbritannien relativ früh wieder eine ungleichere Verteilung der Vermögen zu beobachten ist, ist in vielen anderen Gesellschaften wie etwa in Deutschland eine ungleichere Verteilung der Vermögensbestände erst seit wenigen Jahren nachweisbar.
- [1] Grundlage ist die Studie „Household Finance and Consumption Survey (HFCS)“ der Europäischen Zentralbank, die zumindest für 15 Länder in Europa vergleichende Aussagen ermöglicht.