Forschungsperspektiven
Soziale Arbeit und Stadtentwicklung aus einer parteilichen Perspektive
Dieter Oelschlägel
Ausgangslage
Die Städte in den entwickelten kapitalistischen Ländern haben heute ihre Rolle als privilegierte Zentren der industriellen Produktion verloren. Das ist eine Folge des wirtschaftlichen Strukturwandels, aber auch der internationalen Arbeitsteilung. Und es zeigt sich in Deindustrialisierungsprozessen, also als Abbau von Arbeitsplätzen in der Fertigung, mit der Folge, dass sich seit Jahren in den Städten die Arbeitslosigkeit konzentriert – mit allen sozialen und sozialräumlichen Begleiterscheinungen, die wir kennen.
Hinzu kommen sinkende Einwohnerzahlen, was unter den Bedingungen kommunaler Finanzverfassung zusätzliche Schwierigkeiten mit sich bringt. Das aufzufangen, ist nur durch weitere Abwanderungen aus ländlichen Gebieten oder durch Zuwanderung aus dem Ausland zu bewerkstelligen. Das heißt, die Städte stehen vor der Alternative zu schrumpfen oder aber größere Probleme der Integration bewältigen zu müssen.
Unter diesen Bedingungen werden sich die sozialen und räumlichen Spannungen in der Stadt verstärken. Die Konzentration benachteiligter Gruppen in bestimmten Quartieren vollzieht sich sehr viel schneller als bisher und die Form der Segregation ist politisch fast nicht mehr steuerbar. Hartmut Häußermann u.a. beschreiben diesen Befund wie folgt:
„Bei rückläufigen Einwohnerzahlen können sich die Wohnungsmärkte so entspannen, dass für Mittelschichtshaushalte breite Wahlmöglichkeiten entstehen, die nicht nur Preis und Qualität der Wohnung umfassen, sondern auch das soziale Umfeld: Man kann sich die Nachbarschaft nun aussuchen. Das verändert die Bedingungen von Segregationsprozessen. Wurde Segregation früher vorwiegend durch Belegungspolitik, Diskriminierung und Marktmechanismen erzwungen, so ergibt sich heute die Konzentration benachteiligter Haushalte in den unattraktivsten Beständen auch durch den Fortzug von Haushalten der Mittelschicht aus Gebieten mit schlechtem Image und vielen sozialen Problemlagen, während die nicht mobilitätsfähigen Haushalte zurückbleiben. Die Konzentration benachteiligter Gruppen in benachtei-ligten Gebieten durch freiwillige Umzugsentscheidungen derer, die Wahlmöglichkeiten haben, vollzieht sich außerordentlich schnell und sie ist faktisch nicht steueroder gar umkehrbar. Dadurch können aus den Wohnvierteln der Benachteiligten benachteiligende Quartiere werden. Die Stadt droht zu einem Ort der Ausgrenzung zu werden.“ (Häußermann/Läpple/Siebel 2008, 18f.)
Damit geht aber eine der wichtigsten Funktionen, die der europäischen Stadt zugeschrieben wurde, verloren: nämlich die der Integration.
Aus diesen wenigen Hinweisen wird deutlich, dass die städtische Bevölkerung mit erheblichen Veränderungen ihres Wohnund Lebensumfelds konfrontiert wird. Will Stadtentwicklung darauf reagieren, braucht sie die Soziale Arbeit. Durch die alltägliche Arbeitspraxis und gezielte Vorstöße initiiert die Soziale Arbeit in ihren Arbeitsfeldern wertvolle Impulse für die Entwicklung von Städten, zumal sie aufgrund ihrer Geschichte auf einen breiten Schatz von Erfahrungen im Sinne von Community Organization und Gemeinwesenarbeit zurückgreifen kann.