Was folgt daraus?
Mir scheint überhaupt das Prinzip des Fairplay, wie es in der Karlsruher Erklärung zum Fairplay des Konstanzer Arbeitskreises für Sportrecht zum Ausdruck kommt, der Schlüssel zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen des Sports zu sein. Fairplay ist eine übergreifende, ethischen Prinzipien verpflichtete Geisteshaltung, die diese Regeln auch innerlich bejaht, den selbstverständlich mit aller Kraft angestrebten Erfolg nicht um jeden Preis erzielen will, im Gegner nicht den Feind sieht, den es mit allen Mitteln zu besiegen gilt, ihn vielmehr als Partner im sportlichen Wettkampf achtet, und ihm deshalb das Recht auf Chancengleichheit, auf Respektierung seiner körperlichen Integrität und seiner menschlichen Würde unabhängig von Nationalität, Rasse und Herkunft zubilligt.
Vor diesem Hintergrund sollen die folgenden Handlungsempfehlungen Wege aufzeigen, wie die dem Sport innewohnenden Potenziale sich entfalten können und wie Vereinsund Verbandsstrukturen dementsprechend gestaltet werden sollten.
In erster Linie gilt es, in umfassendem Maße Sensibilisierungsund Aufklärungsarbeit zu leisten, mit dem Ziel, den Blick für Erscheinungsformen des Rechtsextremismus zu schärfen und deutlich zu machen, dass die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus im Sport selbstverständlich sein sollte. Dazu gehören auch Fortbildungen und Schulungen von Vereinsfunktionären und Übungsleitern im Rahmen eines flächendeckenden Vor-Ort-Angebots, die Etablierung einer Unterstützungsund Beratungsinfrastruktur, z. B. durch Einrichtung von Beratungsstellen, an die sich Vereine im Konfliktfall wenden können, wie dies in den Neuen Bundesländern durch die mobilen Beratungsteams des Bundesprogramms "Zusammenhalt durch Teilhabe" (ZdT) sehr erfolgreich gerade auch im Sport praktiziert wird. Ebenso wie die Einrichtung einer Good-practice-Datenbank mit beispielhaften Projekten, die interessierten Vereinen zur Verfügung steht und Anregungen für die Arbeit vermittelt.
In Bezug auf Handlungsempfehlungen für Vereine ist in erster Linie eine deutliche Positionierung des Vereins zu fordern. Diese kann auf unterschiedlichen Ebenen sichtbar und wirksam werden, z. B. indem die aktuellen Satzungen oder Ordnungen überprüft werden, insbesondere in Hinblick auf Zielund Zweckformulierungen und Ausschlussmöglichkeiten für Mitglieder.
Ist Bedarf für Änderung/Konkretisierung gegeben, sollte die Diskussion darüber auf allen vereinsstrukturellen Ebenen angeschoben werden, bevor ein Änderungsantrag in die Mitgliederversammlung eingebracht wird. Gegebenenfalls sollten Sportanlagennutzungsvorschriften unter Verwendung von Musternutzungsverträgen geändert werden. Weiterhin sind die Vereine aufgefordert, einen (hauptamtlichen) Beauftragten zu bestimmen, der Ansprechpartner bei auftretenden Problemen im Bereich Rechtsextremismus, Rassismus und Diskriminierung ist.
Hilfen bei der Umsetzung dieser genannten Maßnahmen können Internetportale oder Broschüren leisten, z. B. "Vereine stark machen 11 Fragen nach 90 Minuten. Was tun gegen Rassismus und Diskriminierung im Fußball?", "Rechtsextremismus im Sport – Nicht mit uns!" oder der Praxis-Wegweiser "Wir wollen eigentlich nur Fußball spielen"
[1]. Diese Broschüren sollten zur obligatorischen Grundausstattung jeder Vereinsgeschäftsstelle gehören.Die oben genannten Punkte sind überwiegend Bestandteile des Gütesiegels "Verein für Anerkennung und Toleranz, gegen Rassismus und Diskriminierung", das Teil des DFB-Pilotprojektes "Verein für Anerkennung und Toleranz" ist. Zu empfehlen ist der Ausbau der Vergabe dieses Gütesiegels und die Ausweitung auf Vereine anderer Sportarten. Das Gütesiegel sollte in diesem Rahmen an gesellschaftlicher und politischer Anerkennung gewinnen. Auch wenn – angesichts des damit verbundenen hohen finanziellen und personellen Aufwandes – DOSB und DFB sich bislang nicht an die Umsetzung des Gütesiegels wagten, es sollte allen Ermutigung sein, dass der Landessportbund Niedersachsen dieses Gütesiegel eingeführt hat und mit Erfolg umsetzt.
Wichtige Unterstützung für eine solche Positionierung von Sportvereinen ist, dass sich auch die Landesverbände zum Thema Rechtsextremismus eindeutig positionieren. Dies kann z. B. durch entsprechende Satzungen geschehen, die sich eindeutig von Rechtsextremismus und Rassismus distanzieren, und durch die Aufforderung an Vereine, bei der Aufnahme in den Landessportbund zu erklären, dass sie entsprechend Position beziehen. Auch ist es Aufgabe der Landessportbünde, die notwendige Unterstützung für Vereine bereitzustellen, z. B. durch das Angebot bzw. die Vermittlung von Beratung und Schulungen sowie durch die Verbreitung von Mustersatzungen oder Nutzungsverträgen, beispielsweise im Rahmen eines Online-Portals, das die entsprechenden Dokumente enthält.
Generell gilt, dass die bereits existierenden und die zu entwickelnden Projekte evaluiert und bezüglich der Einlösung ihrer präventiven Ansprüche kritisch überprüft werden sollten. Wir halten es für erforderlich, Evaluationen bei Sportprojekten durchzuführen, die sich die Prävention von und Intervention bei Vorfällen mit rechtsextremistischem Hintergrund zum Ziel setzen. So könnten auch frühzeitig Qualitätsstandards für entsprechende Projekte entwickelt werden. Wichtig wäre, so bald wie möglich mit Evaluationen zu beginnen, da das Feld zurzeit stark in Bewegung ist und andere Projekte von den Ergebnissen profitieren können.
Angesichts wachsender Problemlagen aber auch und vor allem der geforderten unterschiedlichen Kompetenzen sowie des an seine Grenzen stoßenden Ehrenamtes muss der Vernetzung im Kampf um diskriminierungsfreie, demokratische Räume eine zentrale Rolle zugewiesen werden. Für die Zukunft wird es sehr darauf ankommen, dass sich die Vereine und Verbände mit zivilgesellschaftlichen Initiativen vernetzen. Dabei scheint mir wichtig zu erkennen, dass – wenn wir der Dreistufigkeit von Prävention (primäre Prävention = Vorbeugung im eigentlichen Sinne; sekundäre Prävention = Früherkennung und tertiäre Prävention = Intervention) folgen – der Sport seine wirklichen Potenziale überwiegend nur in der primären Prävention hat.
Aber: So einfach ist Vernetzung nicht zu haben. Um unterschiedlichsten Institutionen und die in der Praxis arbeitenden Menschen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, eigene Eitelkeiten und Interessen, hierarchisches Denken und unterschiedliche strukturelle, rechtliche Rahmenbedingungen der Vernetzungspartner in den Dienst der schnell ausgemachten gemeinsamen Sache zu stellen, müssen, wenn erfolgreich gearbeitet werden soll, die unterschiedlichen Interessen der Vernetzungspartner offengelegt und notfalls auch ausgehalten, Gemeinsamkeiten herausgearbeitet, Kompetenzen geklärt und dann zum Inhalt der Zusammenarbeit gemacht werden. Angesichts der Vielzahl von zivilgesellschaftlichen Initiativen und zum Teil konkurrierenden Projekten ist darüber hinaus eine bessere Absprache der Netzwerke und Initiativen im Sinne der Vermeidung von Doppeltund Dreifachmaßnahmen sowie der Schaffung von Synergieeffekten untereinander dringend geboten. Hier wäre zum einen eine bessere Abstimmung der Landesverbände einerseits und der Sportvereine andererseits, aber auch zivilgesellschaftlicher Initiativen untereinander, notwendig. Daraus folgt, dass der Abbau von Fremdenfeindlichkeit einer breit angelegten Erziehung zur Demokratie bedarf, gepaart mit der Erfahrung von effektiver politischer Partizipation insbesondere für junge Menschen. Dabei scheint mir die beste Prävention gegen Rassismus und Diskriminierung das Schaffen einer Atmosphäre von Anerkennung und Geborgenheit, die Entwicklung einer positiven Identität sowie das Stärken junger Menschen zu sein, und da hat der Sport seine größten Potenziale. Durch die im Sport angelegten Werte (Fair Play, Chancengleichheit, Achtung des Gegners als sportlichen Partner) kann der Sport eine wichtige Schule zur Demokratie sein.
Es ist dabei bedrückend zu sehen, wie Rechtsextremisten selbst diese Werte des Sports für ihre Ideologie instrumentalisieren:
"Insbesondere der sportliche Wettkampf verlangt Fleiß. Aufopferung, Mut und Entschlossenheit – immaterielle Werte, wie man sie bei den Demokraten vergebens sucht. Sportlicher Wettkampf bedeutet, sich seinem Gegner zu stellen, ihm auf Basis gleicher Gegebenheiten zu begegnen und einzig Fähigkeiten über Sieg oder Niederlage entscheiden zu lassen. Er bedeutet, sich Siege zu erkämpfen und nicht – wie im demokratischen Selbstverständnis – zu erkaufen. Er bedeutet, sich Niederlagen einzugestehen und nicht – wie in den Parlamenten der BRD üblich – als Erfolg zu propagieren" (so in Sport frei!: spreelichter.de)
- [1] Beispiele für entsprechende Leitfäden wären:
• Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt/Am Ball bleiben – Fußball gegen Rassismus und Diskriminierung,dsj/Koordinationsstelle für Fan-Projekte bei der dsj (Hrsg.) (2011, 3. Aufl.): Vereine stark machen – 11 Fragen nach 90 Minuten, Berlin/Frankfurt,
3. Aufl.
• Bundesministerium des Innern Referat SP6 (2011): Foul von Rechtsaußen – Sport und Politik verein(t) für Toleranz, Respekt und Menschenwürde Verein(t) gegen Rechtsextremismus – Handlungskonzept von Sport und Politik zur Förderung von Toleranz, Respekt und Achtung der Menschenwürde, Berlin.
• Camino – Werkstatt für Fortbildung, Praxisbegleitung und Forschung im sozialen Bereich gGmbH (2013): "Wir wollen eigentlich nur Fußball spielen" – Was Vereine gegen Rechtsextremismus tun können, ohne mit dem Sport aufzuhören – Ein Wegweiser für die Praxis, Berlin.