Die Rolle der Sozialen Arbeit bei der Stadterweiterung
Das Beispiel Freiburg-Rieselfeld
Clemens Back
„Ein höchst verworrenes Quartier, ein Straßennetz was jahrelang von mir gemieden wurde, ward mit einem Schlage übersichtlich, als eines Tages ein geliebter Mensch dort einzog. Es war, als sei in seinem Fenster ein Scheinwerfer aufgestellt und zerlege die Landschaft mit Lichtbüscheln.“ Walter Benjamin
Ausgangslage
Freiburg liegt in einem der bevorzugten dienstleistungsorientierten Zuzugsräumen Süddeutschlands. Das reizarme Sozialklima wird je nach Befindlichkeit mal als willkommene Hängematte, mal als tückische Behaglichkeitsfalle erlebt. Auch deshalb zählt Freiburg zu den wenigen deutschen Großstädten, die noch deutliche Bevölkerungsgewinne verzeichnen (180.500 Einwohner/innen im Dezember 1987, 220 000im Dezember 2013).
Um der daraus resultierenden zunehmenden Wohnraumverknappung Herr zu werden, entschied man sich Ende der 1980er-Jahre – trotz großer Widerstände aus der Bevölkerung – zur Ausweisung eines neuen Wohnquartiers für rund
11.000 Einwohner/innen: Freiburg Rieselfeld.
Noch bis Mitte der 1980er Jahre entsorgte die Stadt teilweise ihre Abwässer auf natürliche Weise durch Verrieselung – ein Rieselfeld mit 320 ha Fläche entstand. 1986 schloss man das Feld und ließ es einige Jahre ruhen. 1991 beschloss der Gemeinderat 238 ha der Fläche unter Landschaftsschutz zu stellen und 78 ha zu bebauen.
Die intensive Diskussion um den Bau des neuen Stadtteils brachte klare politische Vorgaben. Sie zielten vor allem darauf ab, aus Fehlern und Erfahrungen mit vorherigen Stadterweiterungen, vor allem in Form von Großsiedlungen, zu lernen. Aber damit war nur der Grundsatz beschlossen. Die nachfolgenden Fragen waren entscheidender: Nach welchen Prinzipien baut man heute einen neuen Stadtteil? Wie organisiert man den Planungsund Bauprozess, die Partizipation und Selbstorganisation der Bürger/innen? Wie finanziert man das? Wie erzeugt man räumliche Identität? Und was daran kann für ähnliche Projekte interessant sein?
Die Finanzen waren bald geklärt: Die Grundstücke, die alle Eigentum der Stadt waren, wurden verkauft und aus dem Erlös wurde die gesamte Infrastruktur finanziert. Dies wurde „In-sich-Finanzierung“ genannt. Es wurde Wert darauf gelegt, dass die Infrastruktur parallel zum Bau der Wohnund Geschäftshäuser entsteht. Der öffentlich getragene Aufbau von Kindertagesstätten, Kinderhaus, Schulen, Sportstätten, nachbarschaftlichen Begegnungsräumen und öffentlichem Nahverkehr etc. war das Gebot der Stunde. Grundsatz war, dass Vielfalt den neuen Stadtteil auszeichnen sollte. Er sollte unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und Milieus Raum geben und dabei offen für zukünftige gesellschaftliche Entwicklungen sein. Von Anfang an sollte sich deshalb das soziale und kulturelle Leben gleichzeitig zur entsprechenden Ausrichtung von Städtebau, Architektur, Verkehrsund Freiräumen sowie ökologischen Maßnahmen, also parallel zum baulichen Wachsen entwickeln. Die erwünschte Mischung und Balance unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen bedeutete die Konzeption unterschiedlicher Gebäudeund Wohnungsformen als Eigentumssowie Mietwohnungsbau. In der Folge wurden kleine Parzellen zur Zielvorgabe – für die Entfaltung der menschlichen Dimension.
Ein solches Konzept verbindet spezifische Lebensund Erlebnisinhalte sowie Aktivitätsmuster von Stadtbewohnern, bestimmte Milieus mit bestimmten Raumstrukturen. Dem damit einhergehenden Streben nach einer Vielzahl von Stadt-Möglichkeiten entsprach denn auch die Zielvorgabe für eine hohe Anzahl an gemeinschaftsorientierten Wohnbauten. Neben einer Vielzahl kleinerer und größerer Investorenprojekte wurden über 120 Bauherr/innengemeinschaften (auch im Mehrfamilienhausund Geschosswohnungsbau) mit über 800 Wohnungen, realisiert.