Was bedeutet Recht auf Stadt für die Soziale Arbeit?

Soziale Arbeit und Stadtentwicklung – kein konfliktfreies Verhältnis

In der Perspektive Lefebvres, die Raum als eine produzierte Realität begreift, ist Stadtentwicklung ein mindestens ambivalentes Feld. Wenn es richtig ist, dass sich soziale Ausschließung nicht zuletzt durch politische Entscheidungen wie den weitreichenden Ausstieg aus dem sozialen Wohnungsbau, die immer weiter gehende Kommodifizierung des öffentlichen Raums und den sich intensivierenden kontrollierenden Zugriff nicht nur in den Städten potenziert, dann ist Stadtentwicklung maßgeblich an ihrer Verschärfung beteiligt. Beteiligung an veränderten Regierungsweisen des Sozialen macht Soziale Arbeit zu einer Akteurin in Konflikten, die auf der lokalen Ebene ausgehandelt werden (vgl. Lanz 2000). Eine Gleichsetzung der Interessen von Stadtentwicklung, Sozialer Arbeit und ihrer Nutzer_innen kann auf dieser Basis nur mit Mühe aufrechterhalten werden. Soziale Arbeit tut gut daran, auch angesichts eigener Einbindung in Programme der Stadtentwicklung und einer angestrebten Expert_innenrolle für den „Sozialraum“ eine Analyse der Konflikte vorzunehmen, die durch Stadtentwicklung bearbeitet werden. Erweiterte Teilnahmemöglichkeiten für die potentiellen Nutzer_innen der Angebote Sozialer Arbeit könnten angesichts sich intensivierender Ausschließung auch durch Stadtentwicklung hierfür Leitlinien sein. Wenn sich die Soziale Arbeit auf das Feld der Stadtentwicklung einlässt, braucht sie eine Analyse, die ihre eigene Position in der Stadtentwicklung der unternehmerischen Stadt analysiert sowie eine utopische Vision von dem Recht auf Stadt – verstanden als einem „Recht auf Nichtausschluss“.

Soziale Arbeit und Raum – kein unerforschtes Verhältnis

Um eine solche Perspektive zu entwickeln, kann auf bestehenden Ansätzen aufgebaut werden. Soziale Arbeit weiß einiges über Mechanismen der Ausschlie-ßung, sie interessiert sich auch für Räume, in denen sich Situationen der Ausschließungen häufen. Auch eine Reflexion über die eigene Rolle, gerade in nahräumlichen Regierungsprogrammen, findet zumindest gelegentlich statt (vgl. beispielhaft Anhorn und Bettinger 2005; Kessl 2007). Ein Bezug auf das Recht auf Stadt würde bedeuten, diese Forschungen mit anderen Forschungen aus dem Bereich der Stadt in Beziehung zu setzen. So können Verbindungen von Gentrifizierung und der Unternehmerischen Stadt mit Interventionen in „benachteiligten Stadtteilen“ aufgezeigt werden. Während Forschungen über Gentrifizierung eine Konzentration auf Pioniere in Stadtteilen, die einen Wandel der Bevölkerungsstruktur erleben, vorgeworfen wird (vgl. Slater 2006), gilt Verdrängung aus den stärker nachgefragten Gebieten als als methodisch schwer zu fassen (vgl. Bernt/Holm 2009). Arbeiten über das Leben in Großwohnsiedlungen werden wiederum selten in Zusammenhang mit „Aufwertungsstadtteilen“ gebracht. Eine Verbindung dieser auffallend getrennten Untersuchungen fragmentierter Räume in der Stadt kann durch eine Analyseperspektive erfolgen, die die konflikthafte Herstellung von Stadt in einem größeren Zusammenhang fasst und die jeweiligen Erkenntnisse zu verbinden imstande ist. Nur eine Verbindung von Analysen der Herstellung von Ausschließung auch auf einer räumlichen Ebene und der Kenntnis über Lebensrealität ihrer Nutzer_innen kann Soziale Arbeit in die Position versetzen, in diese konflikthaften Verhältnisse zu intervenieren.

 
< Zurück   INHALT   Weiter >