Strategische Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Rechtsextremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Fußball

Auch in Bezug auf Rechtsextremismus im Fanund Zuschauerverhalten stellt die eindeutige und kontinuierliche Positionierung der Vereine und Verbände gegen Rechtsextremismus und Rassismus ein entscheidendes Element dar. Das kann z. B. erreicht werden durch initiierte Kampagnen gegen Rechtsextremismus und Rassismus, z. B. Rote-Karte-Aktionen, regelmäßige Durchführung von Aktionstagen gegen Rechtsextremismus und für Respekt und Toleranz, inhaltliche Veranstaltungen wie Ausstellungen oder Diskussionsveranstaltungen, Änderung der Stadionordnung (in Anlehnung an die Musterstadionordnung des DFB). Das erwähnte Beispiel des SV Babelsberg zeigt, mit wie wenig Aufwand man hier wirklich eindeutige Zeichen setzen kann.

Folgende Handlungsempfehlungen für die Arbeit gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ergeben sich aus den vorliegenden Untersuchungen (vgl. Pilz et al. 2006):

1) Entwicklung eines Fortbildungskonzeptes "Arbeit für Respekt und Toleranz" für die Fanprojekte und regelmäßige Durchführung von Fortbildungen und Workshops für Fanprojektmitarbeiter/innen;

2) Trainings mit Multiplikatoren beziehungsweise Schlüsselpersonen aus der Fanszene durch die Fanprojekte;

3) Regelmäßige Schulungen von Ordner/innen, Sicherheitsbeauftragten und Fanbetreuer/innen speziell zu neueren Entwicklungen im Rechtsextremismus und Trainings zu Handlungsinterventionen im Stadion;

4) Durchführung eines Aktionstages für Respekt und Toleranz gegen Fremdenfeindlichkeit, Sexismus und Homophobie in der Bundesliga;

5) Entwicklung einer Wanderausstellung zum Thema "Frauen, Fußball und Sexismus";

6) Einrichtung eines Aktionsfonds zur Unterstützung von konkreten Aktivitäten für Respekt und Toleranz aus der Fanszene;

7) Einrichtung eines Referenten oder einer Referentin zum Thema "Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus" bei der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS);

8) Einrichtung eines ehrenamtlichen Referenten/Ansprechpartners für die Arbeit für Respekt und Toleranz beim Verein;

9) Implementierung einer interdisziplinären Arbeitsgruppe für Respekt und Toleranz auf Bundesebene.

Auf eine Leitlinie reduziert, lautet das Gebot für den Umgang der hier thematisierten Phänomene: Es gilt, nicht auszugrenzen, sondern eine sensible Problemwahrnehmung zu fördern und die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gepaart mit Gesprächsbereitschaft und dem Transport von Botschaften für Respekt und Anerkennung zu kommunizieren.

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass sich hinter Fremdenfeindlichkeit und Rassismus eigene Unsicherheiten, Ängste, Bedrohungsgefühle verbergen. Feindbilder und Gewalt sind ein Schutzschild gegen diese Angst, von anderen vereinnahmt zu werden. Hier ist allein mit Argumenten herzlich wenig zu erreichen:

"Wenn man Gegenargumente ins Feld führt, wird die Angst nur noch größer und die Fronten verhärten sich […] Es geht also darum, die Angst des anderen, (die in seinen Handlungen zum Ausdruck kommt), aufzunehmen und selbst keine Angst vor der anderen Ideologie zu haben. Wenn man sich im Gegenteil für die andere Ideologie interessiert und für die sie tragenden Gefühle, dann – so zeigt die Erfahrung – kommen Gespräche in Gang." (Bauriedl 1993: 35 ff.)

Bezogen auf den Umgang mit rechten und gewaltbereiten Jugendlichen bedeutet dies, dass es klar werden muss, dass es nicht mehr genügt, sich in der eigenen Gruppierung wohl zu fühlen, weil man weiß, dass die Schläger und Brandschätzer die anderen sind (vgl. ebd.: 36).

Die Überwindung von Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ist dabei eine dauerhafte Aufgabe. Gewaltbereite, fremdenfeindliche Szenen im Fußballumfeld sind ständig im Fluss. Es gibt regionale sowie nationale Eigenheiten aber auch internationale Gemeinsamkeiten und vor allem Verflechtungen. Nur durch den steten Austausch von Erkenntnissen über Ursachen, Erscheinungsformen, sowie Erfahrungen mit präventiven wie ordnungspolitischen Maßnahmen ist eine langfristige Annäherung an das Ziel, Gewalt und Rassismus im Fußball zu verhindern, möglich. Es geht dabei um einen kontinuierlichen Erfahrungsaustausch, Wissensund Praxistransfer. Dass gerade die Anwesenheit der Spieler und deren Bereitschaft, sich in die Diskussionen aktiv einzuschalten, bei den Fans Wirkungen zeigt, hat das Beispiel eines vom Fanprojekt vor ein paar Jahren initiierten gemeinsamen Besuchs der Wehrmachtsausstellung von Fans und Mitgliedern der Mannschaft von Hannover 96 (damals waren mit Otto Addo, Gerald Asamoah und Carsten Linke drei der beliebtesten Spieler mit dabei) eindrucksvoll bewiesen. Nahezu zwei Stunden – und es waren durchaus nicht nur unproblematische Fans dabei – wurde intensiv über Inhalt der Wehrmachtsausstellung und speziell die zunehmenden fremdenfeindlichen, rassistischen Tendenzen im Stadion diskutiert. Noch Wochen später waren die Inhalte der Diskussion Gesprächsthema unter den Fans im Stadion und im Fanprojekt.

Die Überwindung von Rassismus im Fußball wie in der Gesellschaft schlechthin ist kein einmaliger Akt und kein flüchtiges Event, sondern kann nur ein dauerhaftes Anliegen, ein kontinuierlicher Prozess sein. Es kann und darf – gerade weil sich immer mehr junge und durchaus auch gebildete Menschen dem Rassismus nicht mehr verschließen – auch nicht nur darum gehen, Verbote auszusprechen bzw. Gesetze zu verschärfen. Repression muss sein, bedarf aber der Flankierung durch vielfältige präventive Maßnahmen. Wir müssen kommunikationsbereit sein, die jungen Menschen nicht ausgrenzen, sondern mit ihnen ins Gespräch kommen. Ausgrenzung und ordnungspolitische Maßnahmen bergen die Gefahr in sich, dass sich Einstellungsmuster verfestigen und rechtsradikal bzw. rechtsextrem organisierbar werden. Wir müssen in der Lage sein, auf diese Menschen zuzugehen. Hier können – neben Sozialarbeitern – die Verbände und vor allem die Fußballvereine mit ihren ausländischen Spielern eine wichtige Rolle übernehmen. Dabei zeigen die Beispiele von Gerald Asamoah, der sich öffentlich zu Wort meldete und laut darüber nachdachte, nicht mehr für die Nationalmannschaft zu spielen, nachdem er immer wieder massiv von einigen der sogenannten "Fans" der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft und gegnerischer Vereine rassistisch beleidigt wurde, wie auch der Fall des Leipziger Spielers Adebowale Ogungbure, dass es nicht ausreicht, wenn allein betroffene Spieler sich zur Wehr setzen. Hier wäre deutlich mehr Unterstützung durch die eigenen Mannschaftskameraden notwendig gewesen. Es macht jedenfalls sicherlich mehr Eindruck auf die Fangemeinde, wenn sich ein weißer Spieler bzw. der Mannschaftskapitän nicht nur vor dem Spiel plakativ hinter das Banner "Zeigt dem Rassismus die Rote Karte" stellen, sondern sich auch couragiert ans Mikrophon begeben und den Fans sofort signalisieren, wie sehr es sie betroffen macht, wenn Fans der eigenen Mannschaft einen Spieler rassistisch beleidigen.

Darüber hinaus wären Diskussionsrunden aller Spieler mit den Fans über Rassismus im Fußball, gemeinsame Besuche von Flüchtlingsheimen oder Asylbewerberunterkünften und verstärkte Fan-Nachwuchsarbeit im Sinne der Immunisierung gegen Verführungen von rechtsaußen sowie interne Diskussionsrunden mit den rechten und gewaltorientierten Fans zu initiieren.

 
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