Konzept der Lernenden Region
Insbesondere durch wirtschaftsgeographische Analysen konnte aufgezeigt werden, dass die regionale Anhäufung und Verbreitung von Wissen sowie Lernprozesse innerhalb von Regionen Innovationen hervorbringen (NUISSL 2003: 60). Vor diesem Hintergrund erfreuen sich seit den 1990er Jahren Konzepte großer Beliebtheit, die, um die wirtschaftliche Entwicklung anzustoßen, das Lernen in den Vordergrund stellen (HASSINK 1997: 159). So auch das Konzept der Lernenden Region, das bereits in vielen Initiativen seine praktische Anwendung gefunden hat. Angewandt wird das Konzept auf mehrere Bereiche (einerseits in der Bildung[1], andererseits im Bereich von Unternehmen bzw. der Wirtschaft) und auf mehreren Ebenen (d.h. auf Ebene ganzer (lernender) Volkswirtschaften oder einzelner (lernender) Institutionen / Organisationen) (SCHÄTZL 2003: 234).
Hauptanliegen des Konzeptes ist die Verbesserung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit durch endogene, interorganisationale Lernprozesse, die aus der Vernetzung entsprechender Akteure resultieren und zu Wissensentstehung, Innovationen und Wachstum führen sollen (FÜRST 2003: 16; BUTZIN 2000: 157). Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass es vor dem Hintergrund der Globalisierung, des Strukturwandels und des zunehmenden Innovationsdrucks zu veränderten Rahmenbedingungen kommt (vgl. Kap. 2.2.1), die eine permanente, flexible Anpassung nötig machen, die wiederum kontinuierliches Lernen erfordert. Lernen wird dabei als interaktiver Prozess angesehen, bei dem durch face-toface-Kontakte der Informationsund Wissensfluss angeregt wird (FÜRST 2003: 13ff.). Aus diesem Grund gewinnt die Informationsund Kommunikationskompetenz für den Erfolg von Regionen zunehmend an Bedeutung (HASSINK 1997: 165). Regionale Akteure müssen die Fähigkeit besitzen, Informationen aufzunehmen und in ihrem regionalen System in Anwendungskontexte zu überführen (GERHARDTER 2003: 77).
“Those firms, sectors, regions, and nations which can learn faster or better (achieving higher quality or cheaper for a given quality) become competitive because their knowledge is scarce and therefore cannot be immediately imitated by new entrants
or transferred, via codified and formal channels, to competitor firms, regions or nations” (STORPER 1997: 31).
Auch im Rahmen des Konzepts der Lernenden Region wird tacit knowledge eine besondere Rolle beigemessen, da hierdurch innovationsrelevante Informationen transportiert werden. Verschiedene Formen der Nähe gewinnen an Bedeutung. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zum – für Innovationen so entscheidenden – learning by interacting kommt, steigt bei räumlicher, sozialer, kultureller (auch institutioneller) und organisatorischer Nähe (HASSINK 1997: 163). Somit spielt auch im Rahmen dieses Konzeptes das besondere Beziehungsgefüge zwischen regionalen Akteuren bzw. Sozialkapital eine wesentliche Rolle (vgl. FÜRST 2003: 15). Und es wird erneut die Meinung vertreten, dass gerade in Zeiten der voranschreitenden Globalisierung der Region, insbesondere der Lernenden Region, eine große Bedeutung zukommt (HASSINK 1997: 161).
“Regions are becoming focal points of knowledge creation and learning in the new age of global, knowledge-intensive capitalism, as they in effect become learning regions. These learning regions function as collectors and repositories of knowledge and ideas, and provide the underlying environment or infrastructure which facilitates the flow of knowledge, ideas and learning. In fact, despite continued predictions of the end of geography, regions are becoming more important modes of economic and technological organization on a global scale” (FLORIDA 1995: 527).
Lernende Regionen sind in zweierlei Hinsicht interessant als Konzept der Regionalplanung: Sie fördern regionale Innovationsprozesse und sollen durch eine zunehmende Abhängigkeit der Unternehmen von regionalen Partnern zu einer stärkeren Standortbindung führen (HASSINK 1997: 160).
Zwar beziehen sich Lernende Regionen wie auch Kreative Milieus und Cluster auf einen bestimmten Raum, die Akteure benötigen jedoch externe Kontakte bzw. das System eine gewisse Offenheit, um an Informationen zu gelangen und sie nutzen zu können, um auf diese Weise dem sogenannten lock-in-Effekt zu entgehen (vgl. BATHELT und GLÜCKLER 2002: 165). Auch etablierte Netzwerke müssen bereit sein, bestehende Strukturen zu reformieren und externe Impulse aufzugreifen, um ihre Produktivität und Kreativität aufrechtzuhalten (vgl. GRABHER 1993; NUISSL 2003: 64).
Die vorgestellten Konzepte entstanden aus der Ursachenforschung zur unterschiedlichen Innovationsfähigkeit und -tätigkeit verschiedener Regionen und der Suche nach den Gemeinsamkeiten besonders innovativer Regionen (FROMHOLD-EISEBITH 1995: 31) mit dem Ziel, bestimmte Positivfaktoren zu eruieren und im Rahmen der Regionaloder Stadtplanung zu fördern. Die Konzepte wer-den zum Ende des Kapitels zusammenfassend verglichen, ihr Bezug zum Querschnittsthema Netzwerke dargelegt sowie ihr Anwendungsbezug aufgezeigt.
- [1] Zu verweisen ist hierbei auf „‚Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken' – der bislang größten gemeinsamen Initiative von Bund und Ländern zur Förderung des Lebenslangen Lernens“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2007)