Einleitung
Bildungspolitische Rahmenbedingungen und ihre Auswirkungen auf die pädagogische Praxis und erziehungswissenschaftliche Forschung
Der Diskurs über das lebenslange Lernen ist in Deutschland bildungspolitisch initiiert und hat seine Anfänge in den 1970er Jahren (vgl. Gerlach 2000; Kraus 2001; Kuhlenkamp 2010). [1] Indem in den internationalen und vor allem europäischen Diskussionen zum lebenslangen Lernen versucht wird, „gesellschaftliche Probleme als Bildungsoder Lernprobleme zu reformulieren“ (Rothe 2011: 397) wird das Thema ,lebenslanges Lernen' auch für die Erziehungswissenschaft relevant. Durch entsprechende nationale bildungspolitische Förderprogramme wird das Postulat ,lebenslanges Lernen' zu einem Gegenstand der pädagogischen Praxis und der erziehungswissenschaftlichen Reflexion, wie die zahlreichen Publikationen zum Thema ,lebenslanges Lernen' aufzeigen. Der Einfluss solcher
Förderprogramme ist gerade im Erwachsenenund Weiterbildungsbereich groß, da hier aufgrund abnehmender Grundfinanzierung das Akquirieren zusätzlicher Finanzmittel von Bedeutung ist (vgl. Rothe 2011: 264).
,Bildungsbereichsübergreifende Vernetzung', ,Stärkung der Bezüge' sowie
,Förderung der Durchlässigkeit zwischen den Bildungsbereichen' sind Schlagwörter, die in der aktuellen bildungspolitischen Programmatik zum lebenslangen Lernen verwendet werden (vgl. BLK 2004; BMBF 2008). Sie werden als Bedingungen genannt, um die subjektbezogene Realisierung des Lernens im Lebenslauf vonseiten der Bildungseinrichtungen zu unterstützen. Schaut man sich beispielsweise die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Jahr 2008 herausgegebenen „Empfehlungen des Innovationskreises Weiterbildung für eine Strategie zur Gestaltung des Lernens im Lebenslauf“ an, so liegt die Begründung für die geforderte „Verbesserung der Durchlässigkeit und die Verzahnung der Bildungsbereiche“ (BMBF 2008: 15) hauptsächlich in der Herstellung und Sicherung der Erwerbsfähigkeit durch die Bereitstellung von vielfältigen Lernund Bildungsangeboten seitens der am Lebenslauf orientierten Bildungseinrichtungen. Durch die Beteiligung an bildungspolitischen Förderprogrammen wie „Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken“ sowie „Lernen vor Ort“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung oder „Lebenslanges Lernen“ der Bund-Länder-Kommission nehmen sich Bildungseinrichtungen aus den verschiedenen Bildungsbereichen diesen Forderungen an und versuchen diese auf der Ebene von Projekten umzusetzen. Verschiedene Publikationen weisen auf die Fülle von unterschiedlichen Projekten hin, die in diesem Kontext entstanden sind (vgl. BLK 2004; Nuissl, Dobischat, Hagen & Tippelt 2006; Emminghaus & Tippelt 2000; Tippelt, Reupold, Strobel & Kuwan 2009). Die Vielzahl an Projekten zeigt aber auch auf, dass mit der bildungsbereichsübergreifenden Umsetzung lebenslangen Lernens unterschiedliche Ideen und Intentionen verbunden sind. Dies spiegelt sich im erziehungswissenschaftlichen Diskurs des lebenslangen Lernens wider, wenn beispielsweise lebenslanges Lernen als „erziehungswissenschaftliches Theoriekonzept, als bildungspolitisches Handlungskonzept, als institutionelles Didaktikkonzept oder als subjektives Aneignungskonzept“ (Kade & Seitter 1998: 51) betrachtet wird.
Die Beantwortung der Fragen ,Was bedeutet lebenslanges Lernen?' und
,Was ist unter einer bildungsbereichsübergreifenden Umsetzung des lebenslangen Lernens zu verstehen?' gestaltet sich schwierig, da aus erziehungswissenschaftlicher Sicht „die Perspektiven des Individuums, die der Politik und die der Organisationen nicht präzise auseinander gehalten werden und auf diese Weise eine gefährliche Vermischung unterschiedlicher Handlungslogiken stattfindet“ (Nittel 2006: 254).
- [1] Hintergrund für die in den 1970er Jahren einsetzende Fokussierung der internationalen Diskussion auf die Notwendigkeit der Entwicklung neuer Bildungskonzepte und Leitideen ist die von Philip H. Coombs Ende der 1960er Jahre veröffentlichte Analyse einer Weltbildungskrise (vgl. Gerlach 2000, 14-25).