Schlussbetrachtung

Reflexionen zur Abschaffung der Bezirksregierungen

Die Abschaffung der Behörde „Bezirksregierung“ wird durch die Politik in Niedersachsen nicht mehr infrage gestellt. Ob die Abschaffung mehr Vorals Nachteile hatte, ist verwaltungswissenschaftlich nicht abschließend geklärt. Freilich gilt auch in den Verwaltungswissenschaften das Credo, dass es die optimale Lösung eines Verwaltungsaufbaus in den heutigen komplexen Zusammenhängen nicht gibt.171 Als wesentliche Vorteile der damaligen Maßnahmen zur Verwaltungsmodernisierung, insbesondere der Abschaffung der Bezirksregierungen, werden angeführt, dass Doppelstrukturen beseitigt und erhebliche Einsparungen erzielt werden konnten.172 Als wesentlicher Nachteil wird der mit der Abschaffung der Bezirksregierungen einhergehende Wegfall von deren Bündelungsund Koordinierungsfunktion gesehen.173 So wird mit Blick auf den Wegfall dieser Funktion vor verstärkten Ressortegoismen und „Fachbruderschaften“ gewarnt. Es bestehe die Gefahr, dass Interessenkonflikte schließlich auf Kabinettsebene gelöst werden müssten, anstatt wie bis 2005 auf Ebene der Bezirksregierungen, an deren Spitze der Regierungspräsident solche Konflikte auflösen konnte. Die Bezirksregierungen hätten aufgrund ihrer breiten fachlichen Aufstellung, insbesondere bei komplexen Verwaltungsverfahren, innerhalb der Behörde die notwendige Abstimmung herstellen können und die Vorort-Koordinierung geleistet.174 Schon der damalige Gesetzgeber hat diesen möglichen Verlust gesehen und insofern dazu Stellung bezogen, dass Verwaltung aufgrund der modernen Kommunikationsmöglichkeiten nicht mehr darauf angewiesen sei, unter einem Dach organisiert zu sein.175 Weiterhin wird darauf verwiesen, dass nicht alle Fachverwaltungen bei den Bezirksregierungen angesiedelt waren, sondern neben diesen existierten. Außerdem sei nicht in allen Bereichen der Bezirksregierung eine entsprechende Bündelung und Koordinierung notwendig gewesen. Dies gelte bspw. in den Bereichen Schule, allgemeine Gefahrenabwehr oder Kunst und Kultur. Aufgrund der Größe der Bezirksregierungen hätten ebenso organisatorische Probleme bei der wirkungsvollen Bündelung bestanden.176

Die Koordinierung ressortübergreifender, überregionaler Vorhaben, insbesondere größerer Infrastrukturmaßnahmen177, ist sicherlich verwaltungstechnisch schwieriger geworden. Der „Verlust“ der Bündelungsund Koordinierungsfunktion im Bereich der Landesentwicklung soll nunmehr durch die Implementierung der Ämter für regionale Landesentwicklung wieder wettgemacht werden.

Die Abschaffung der Bezirksregierungen firmierte auch unter dem Schlagwort der Einführung der Zweistufigkeit.178 Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist diese umgesetzt worden, wenn man die Aufsichtsstränge im Land betrachtet. Hier stehen zwischen den Kommunen, die die Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörden wahrnehmen, und den obersten Landesbehörden keine weiteren Instanzen. Die zahlreichen Landesoberbehörden stehen organisatorisch neben den Kommunen und verfügen trotz gelegentlich fast parallel gelagerter bzw. inhaltlich ähnlicher Aufgaben über keine eigenen Aufsichtsmittel. Am Beispiel der Kommunalaufsicht wird das deutlich. Neben dem Innenministerium als oberster Kommunalaufsichtsbehörde gibt es nur die Landkreise und die Region Hannover, die die Aufgabe einer (unteren) Kommunalaufsichtsbehörde wahrnehmen.179 Anhand dieses Beispiels kann man auch gut die beschriebenen Folgen des Wegfalls der Mittelinstanz beobachten. Da die oberste Kommunalaufsicht originär für die großen Kommunen im Land zuständig ist180, wird sie auf ministerieller Ebene operativ und erstinstanzlich tätig mit einer schlankeren Personalausstattung als im Vergleich zu den Gegebenheiten vor Abschaffung der Bezirksregierung. Sie führt unmittelbar, ohne weitere Zwischeninstanz, die Fachaufsicht über die unteren Kommunalaufsichtsbehörden aus. Durch die Konzentration der Aufsicht ist eine landesweit einheitliche Ausführung gewährleistet. Zu Zeiten der Bezirksregierungen erwies es sich für die Ministerialebene regelmäßig jedoch als hilfreich, wenn der Fall bereits durch diese mit den entsprechenden Kenntnissen der lokalen Verhältnisse vorstrukturiert wurde.

Wechselt man die Perspektive und blickt man auf die faktischen Ebenen, relativiert sich der Aussagegehalt des Schlagwortes der Zweistufigkeit für die niedersächsische Landesverwaltung, insbesondere was die unmittelbare Landesverwaltung selbst betrifft. So hat etwa die Vermessungsund Katasterverwaltung rein tatsächlich mit der Kette von Innenministerium, Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung (Zentrale), Regionaldirektionen und den Katasterämtern vor Ort einen vierstufigen Aufbau vorzuweisen. Dies kann man noch für weit mehr Verwaltungsbereiche durchdeklinieren.

 
< Zurück   INHALT   Weiter >