Konfliktlinien und Faktoren zur Bildung von Interessengruppen in Niedersachsen
Demografischer Wandel
2012 lebten in Niedersachsen knapp acht Mio. Menschen. Rund 1,4 Mio. von ihnen oder 17,8 Prozent hatten einen Migrationshintergrund, waren also selbst Einwanderer aus dem Ausland oder Kinder von Migranten.15 Von der Alterszusammensetzung her war Ende 2013 bereits mehr als jeder fünfte Niedersachse (21,2 Prozent) älter als 65 Jahre.16 Die künftige Bevölkerungsentwicklung lässt sich vor diesem Hintergrund mit drei Schlagworten beschreiben: Die Bevölkerung wird abnehmen17, sie wird älter und internationaler werden. Diese Entwicklung verläuft aber regional unterschiedlich.18 Für Interessengruppen bedeutet demografischer Wandel, dass sich die Bedingungen für Mitgliederrekrutierung, die Formen des Engagements und die aufzugreifenden Interessen verändern. Freiwilliges Engagement differenziert relativ stark nach Altersgruppen. Zudem zeigen Menschen mit Migrationshintergrund ein anderes Engagementverhalten.19
Wirtschaftsstruktur
Neben der Agrarindustrie und dem Tourismus an der Küste und im Harz ist die Wirtschaft in Niedersachsen vor allem geprägt durch die starke Rolle der Automobilindustrie und ihrer Zulieferer. Diese Wirtschaftsstruktur wirkt prägend auf die Kooperationsund Konfliktlinien im Bereich der Wirtschaftsstrukturund Arbeitsmarktpolitik und der dort anzutreffenden Interessengruppen. In der Wirtschaftsstrukturpolitik sind die Kammern das Sprachrohr der regionalen Wirtschaft. Auf Gewerkschaftsseite fördert die starke Rolle der Automobilindustrie auch in Niedersachsen eine pointierte Rolle der IG Metall. Im Bereich des öffentlichen Dienstes findet sich – wie in allen Bundesländern – eine starke Position der Gewerkschaft ver.di (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft), der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) und der Beamtenbund-Gewerkschaften.
Landwirtschaft vs. Umwelt-, Tierund Naturschutz
Zusammen mit Bayern ist Niedersachsen das führende Agrarland Deutschlands. Zum einen prägt die landwirtschaftliche Nutzung entscheidend das Landschaftsbild und stellt die Basis der Ernährungsindustrie dar. Zum anderen stoßen Prinzipien des Natur-, Tierund Umweltschutzes mit Formen intensiv betriebener Landwirtschaft zusammen.
Regionalstruktur und Verwaltungsgliederung
Niedersachsen gliedert sich in acht kreisfreie Städte und 37 Landkreise. Mehrere Gebietsreformen haben vor allem zu Veränderungen der Regionalund Mittelinstanzen geführt. Niedersachsen hat viele Verbände, die stark in der Region verankert sind und bei denen sich das bürgerschaftliche Engagement vornehmlich im lokalen und regionalen Rahmen vollzieht, wohingegen die Landesebene primäres Handlungsund Aufgabenfeld der politischen Lobbyarbeit von Landesorganisationen bleibt.
Regionale Kooperationen
Niedersachsen ist überzogen von einem Netz von Kooperationen. Diese sind überwiegend auf freiwilliger Grundlage entstanden und zeichnen sich durch eine breite Mitwirkung auch von Akteuren jenseits von Verwaltung und Politik aus. Solche Aktivitäten werden in Niedersachsen überwiegend von Kommunen initiiert und mitgetragen. Ihre Organisationsformen sind sehr unterschiedlich. Regionale Kooperationen gelten als Strategie zur Bewältigung komplexer, in überkommenen Verwaltungsgrenzen und -strukturen nicht mehr allein zu lösender Aufgaben und Probleme.20 Sie beschäftigten sich z.B. mit Touristik-Marketing, Industrieansiedlung und der Entwicklung regionaler Leitbilder.