Chancen und Grenzen der Zivilgesellschaft
Die Hoffnungen, die z.T. auf zivilgesellschaftliches Engagement projiziert werden, sind unzweifelhaft groß: Nichts weniger als eine Revitalisierung der langsam ermüdeten repräsentativen Demokratie ist die Vision. Die alten, starren Formen von politischem und sozialem Engagement in unflexiblen Großorganisationen sollten ersetzt werden durch eine neue Kultur der Beteiligung, die individuelles Engagement ermöglichen sollte, unverbindlich, temporär und projektorientiert, dabei unbürokratischer und effizienter als die oft mühsamen Auseinandersetzungen in Großorganisationen, mit ihrer langfristigen Bindung durch formale Mitgliedschaften und langwierige Prozesse. Zivilgesellschaftliches Engagement soll also den vermeintlichen Bedürfnissen der BürgerInnen nach mehr Individualismus, Mobilität und Flexibilität im Engagement entgegenkommen, auch individuellen Nutzen bringen sowie persönliche Lerneffekte und Weiterentwicklung ermöglichen. Nicht zuletzt soll zivilgesellschaftliches Engagement die Aktiven in die Lage versetzen, sog. Sozialkapital aufzubauen, sich zu vernetzen, Demokratie zu lernen.26
Diese positiven Aspekte von Engagement werden auch mit Blick auf die erhobenen niedersächsischen Daten sehr deutlich. Für eine große Mehrheit der Engagierten ist die Zivilgesellschaft ein Ort der demokratischen Einflussnahme, sie sind aktiv, um die Gesellschaft zumindest im Kleinen mitzubestimmen (97 Prozent der Befragten stimmen dieser Aussage ganz oder teilweise zu). Für die meisten Aktiven ist es außerdem besonders wichtig, durch ihr Engagement anderen Menschen zu helfen und etwas für das Gemeinwohl zu tun.27
Gleichzeitig betonen die bürgergesellschaftlich Aktiven aber auch die persönliche Weiterentwicklung und den individuellen Nutzen, den ihr Engagement für sie hat, wenn auch im Vergleich zu den am Allgemeinwohl orientierten Aussagen diese Aspekte weniger stark akzentuiert werden. Immerhin 61 Prozent wollen aber durch ihr Engagement wichtige Qualifikationen erwerben, 57 Prozent sehen die Chance, durch ihre Aktivität Ansehen und Einfluss in ihrem direkten Lebensumfeld zu erreichen, wobei in beiden Fällen nur wenige der jeweiligen Aussage „voll und ganz“ zustimmen.28 Ebenfalls wichtig ist den engagierten Niedersachsen, dass man die eigenen Kenntnisse und Erfahrungen erweitern kann, dass man Verantwortung und Entscheidungsmöglichkeiten hat und dass man die eigenen Interessen vertreten kann.29
Engagement und zivilgesellschaftliche Aktivität scheinen also in der Tat sowohl allgemeine, gesamtgesellschaftliche als auch konkrete persönliche positive Effekte zu haben, was sich auch in der relativ hohen durchschnittlichen Engagement-Dauer und der Tatsache zeigt, dass 89 Prozent der Befragten das Engagement als sehr wichtigen bzw. wichtigen Teil des eigenen Lebens bezeichnen.30