Von der Fotografie zum Film

Eine notwendige Voraussetzung für den Film als Mittel, bewegtes Leben realistisch abzubilden, war die Fotografie, die ihren Ursprung bereits in der Camera obscura hat. Mit dieser Camera obscura, die nachweislich bereits von Albrecht Dürer (1471 – 1528), Jan Vermeer (1632 – 1675) und Canaletto (1697 – 1768) verwendet wurde, um nur einige wenige zu nennen, war erstmals die naturgetreue und direkte Abbildung der Wirklichkeit auf einer Fläche möglich.

Bis zur wirklichkeitstreuen Filmaufnahme musste jedoch noch manche technische Hürde überwunden werden, denn die Belichtungszeit für ein Einzelbild war mit dem verfügbaren Aufnahmematerial viel zu lang, als dass man damit die Bilderfolge einer Bewegung hätte herstellen können. Dieser Durchbruch gelang zum ersten Mal dem englischen Fotografen Eadweard Muybridge. Er fertigte Serienfotografien eines galoppierenden Pferdes an und lieferte damit den sichtbaren Beweis, dass sich bei einem galoppierenden Pferd für einen Moment alle vier Beine in der Luft befinden. Der französische Physiologe Étienne-Jules Marey entwickelte die „Chronofotografische Flinte“ für Serienaufnahmen. In Deutschland gelangen dem Fotografen und Erfinder Ottomar Anschütz 1886/87 mit Hilfe des von ihm entwickelten Schlitzverschlusses und eines sogenannten „Tachyskops“ („Schnellseher“) erste Bewegungsbilder.

Der kinematografische Urtrick des Films ist bis heute gleich geblieben. Wie im sogenannten Daumenkino verschmelzen einzelne Bilder durch die Trägheit des Auges zu einer fortlaufenden Bewegung. Der Franzose Louis de Prince baute als erster eine Filmkamera mit nur einem Objektiv und drehte damit 1888 die ersten bewegten Bilder, die man aus heutiger Sicht als Film bezeichnen kann. Unabhängig von Le Prince entwickelte William K.L. Dickson im Jahre 1891 im Forschungszentrum Menlo Park von Thomas Alva Edison ein Filmaufnahmeund ein Filmbetrachtungsgerät, den Kinetographen und das Kinetoskop, bei denen erstmals perforierte Zelluloidstreifen an einem Objektiv vorbeigeführt wurden.

Wie bei nahezu jeder bahnbrechenden Erfindung im 19. Jahrhundert gab es eine Reihe von Parallelentwicklungen unterschiedlicher Techniken. Die Gebrüder Lumière – ihr Name

„lumière = Licht“ bezeichnet interessanterweise eine der wichtigsten Voraussetzungen des Filmens und der Fotografie – verfügten als Fabrikanten und Großbürger über das nötige Kapital, um ihren Cinématographe, der sowohl Aufnahmeals auch Wiedergabegerät war, auf dem Markt durchzusetzen.

Die ersten Filme waren meist nur einige Sekunden lang und zeigten Szenen aus dem alltäglichen Leben, manchmal aber auch gespielte komische Szenen wie in der vielleicht ersten Slapstick-Szene der Filmgeschichte L'arroseur arrosé (Der begossene Gärtner) von den Lumières. Ihre Faszination lag vorerst in der Machbarkeit der optischen Wiedergabe von bewegten Szenen. Die Brüder Lumière sahen den Film jedoch mehr als eine Ergänzung zur Fotografie. In ihrer Arbeit beschränkten sie sich auf die Dokumentation realer Ereignisse. Das Interesse an freier Handlung setzte erst später ein.

 
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