Fall Heylens EuGH Slg. 1987, 4097

H ist belgischer Staatsangehöriger und Inhaber eines belgischen Fußballtrainerdiploms. Er wurde vom französischen Fußballclub Lille Olympique Sporting Club als Fußballtrainer eingestellt. Sein Antrag auf Anerkennung der Gleichwertigkeit des belgischen Diploms wurde unter Bezug auf die negative Entscheidung eines besonderen, für die Anerkennung zuständigen Ausschusses abgelehnt. Die Ablehnung war nicht mit Gründen versehen. Da H jedoch weiterhin als Trainer arbeitete, wurde er vor einem französischen Strafgericht wegen unbefugten Führens eines Titels angeklagt. Das Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob das französische Anerkennungsverfahren, das keine Begründung der Entscheidung und keinen Rechtsbehelf vorsehe, mit dem sich aus der Freizügigkeit ergebenden Recht des freien Zugangs zu einer nicht selbständigen Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedsstaat vereinbar sei.

Der EuGH führt zunächst aus, dass das Erfordernis der Vorlage berufsqualifizierenden Bescheinigungen aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein könne, solange es keine Anerkennungsrichtlinien für den betreffenden Beruf gibt, um die für einen Beruf bestimmten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nach zu weisen. Allerdings ist nach Auffassung des EuGH erforderlich, dass der jeweilige Mitgliedsstaat ein objektives Anerkennungsverfahren zur Feststellung der Gleichwertigkeit ausländischer Nachweise vorsieht und dem Betroffenen zur Durchsetzung seiner Rechte in diesem Verfahren eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit zur Verfügung steht. Da dies vorliegend nicht der Fall war, wurde H in seinem Recht auf Freizügigkeit nach Art. 45 AEUV verletzt.

1. Da die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu den grundlegenden Zielen des EWG-Vertrags gehört, obliegt es den Mitgliedsstaaten, alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus dem Vertrag ergeben, zu treffen und alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Verwirklichung der Ziele des Vertrags gefährden könnten. (Rn. 12)

2. Das Verfahren zur Anerkennung der Gleichwertigkeit muss die objektive Feststellung ermöglichen, dass ein ausländisches Diplom seinem Inhaber die gleichen Kenntnisse und Fähigkeiten wie das innerstaatliche Diplom oder diesem zumindest gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten bescheinigt. Diese Beurteilung der Gleichwertigkeit eines ausländischen Diploms muss ausschließlich danach erfolgen, welches Maß an Kenntnissen und Fähigkeiten dieses Diplom unter Berücksichtigung von Art und Dauer des Studiums und der praktischen Ausbildung, deren Abschluss es bescheinigt, bei seinem Besitzer vermuten lässt. (Rn. 13)

3. Der freie Zugang zur Beschäftigung ist ein Grundrecht, das jedem Arbeitnehmer der Gemeinschaft individuell vom Vertrag verliehen ist; die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes hängt wesentlich davon ab, dass Entscheidungen einer innerstaatlichen Behörde, durch die die Gewährung dieses Rechts verweigert wird, vor Gericht angefochten werden können. (Rn. 14)

4. Die Wirksamkeit der gerichtlichen Kontrolle, die sich auf die Rechtmäßigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung erstrecken können muss, setzt voraus, dass das angerufene Gericht von der zuständigen Behörde die Mitteilung dieser Begründung verlangen kann. Geht es jedoch wie im vorliegenden Fall um die Gewährleistung des effektiven Schutzes eines Grundrechts, das den Arbeitnehmern der Gemeinschaft vom Vertrag verliehen ist, müssen letztere dieses Recht auch unter den bestmöglichen Voraussetzungen geltend machen können, und es ist ihnen die Möglichkeit einzuräumen, in Kenntnis aller Umstände zu entscheiden, ob es für sie von Nutzen ist, vor

Gericht zu gehen. (Rn. 15)

5. Sofern der von Art. 45 AEUV geschützte Zugang zu einer Berufstätigkeit im Lohnoder Gehaltsverhältnis vom Besitz eines innerstaatlichen Diploms oder eines als gleichwertig anerkannten ausländischen Diploms abhängt, ist die zuständige innerstaatliche Behörde verpflichtet, die Gründe, auf die ihre ablehnende Entscheidung gestützt ist, entweder in der Entscheidung selbst oder auf Antrag später bekanntzugeben. (Rn. 15)

 
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