Fall Jenkins EuGH Slg. 1981, 911
J arbeitet alsTeilzeitarbeitnehmerin bei der Firma Kingsgate Ltd. Es handelt sich um ein Unternehmen aus Essex, das Damenoberbekleidung herstellt und 35 Männer und 34 Frauen beschäftigt. In Teilzeitbeschäftigungen arbeiten überwiegend nur weibliche Arbeitnehmer. J bezog – wie alle Teilzeitbeschäftigten – einen im Vergleich zu ihren meist männlichen Vollzeitkollegen 10 % niedrigeren Stundenlohn. J klagt vor dem Industrial Tribunal. Das Employment Appeal Tribunal legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob eine solche Ungleichbehandlung des Entgelts eine Verletzung von Art. 157 AEUV darstelle.
Der EuGH sah in der schlechteren Entlohnung Teilzeitbeschäftigter eine mittelbare Diskriminierung weiblicher Arbeitskräfte nach Art. 119 EWG-Vertrag (nunmehr Art. 157 AEUV). Nach Auffassung des EuGH hat sich herausgestellt, dass ein erheblich geringerer Prozentsatz der weiblichen Arbeitnehmer als der männlichen Arbeitnehmer die Mindestzahl der Wochenarbeitsstunden leistet, die die Voraussetzung für den Anspruch auf den Stundenlohn zum vollen Satz ist.
1. Art. 119 (nunmehr Art. 157 AEUV) bezweckt, die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit sicherzustellen. Bei den Unterschieden in der Behandlung, die aufgrund dieser Bestimmung verboten sind, handelt es sich also ausschließlich um solche, die auf dem unterschiedlichen Geschlecht der Arbeitnehmer beruhen. Daher stellt die Tatsache, dass für Teilzeitarbeit ein geringerer Stundenlohn gezahlt wird als für Vollzeitarbeit, nicht für sich allein eine nach Art. 119 verbotene Diskriminierung dar, wenn diese Stundensätze ohne Unterscheidung nach dem Geschlecht für die Arbeitnehmer der beiden Gruppen gelten. (Rn. 10)
2. Wird eine solche Unterscheidung nicht getroffen, so verstößt der Umstand, dass für eine nach Zeit bezahlte Arbeit ein je nach der Anzahl der wöchentlichen Arbeitsstunden unterschiedlicher Stundenlohn gezahlt wird, somit nicht gegen den in Art. 119 EWG-Vertrag (nunmehr Art. 157 AEUV) niedergelegten Grundsatz des gleichen Entgelts, soweit die unterschiedliche Entlohnung der Teilzeitarbeit und der Vollzeitarbeit auf Faktoren beruht, die objektiv gerechtfertigt sind und nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. (Rn. 11)
3. Stellt sich dagegen heraus, dass ein erheblich geringerer Prozentsatz der weiblichen Arbeitnehmer als der männlichen Arbeitnehmer die Mindestzahl der Wochenarbeitsstunden leistet, die die Voraussetzung für den Anspruch auf den Stundenlohn zum vollen Satz ist, so steht das ungleiche Entgelt dann im Widerspruch zu Art. 119 EWG-Vertrag (nunmehr Art. 157 AEUV), wenn – unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten, die die weiblichen Arbeitnehmer haben, um diese Mindeststundenzahl pro Woche leisten zu können – die Lohnpolitik des betreffenden Unternehmens nicht durch Umstände zu klären ist, die eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ausschließen. (Rn. 13)
4. Ein unterschiedliches Entgelt für Vollzeitarbeitnehmer und Teilzeitarbeitnehmer stellt dann eine durch Art. 119 EWG-Vertrag (nunmehr Art. 157 AEUV) verbotene Diskriminierung dar, wenn die in Teilzeit arbeitende Arbeitnehmergruppe ausschließlich oder überwiegend aus weiblichen Personen besteht. (Rn. 15)