Richtlinie 2006/54/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeitsund Beschäftigungsfragen in Bezug auf sonstige Arbeitsbedingungen

Ergänzend zu den primärrechtlichen Regelungen kommt die aufgrund von Art. 19 AEUV erlassene Richtlinie 2006/54/EG (Richtlinie zur Verwirklichung der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeitsund Beschäftigungsfragen) zur Anwendung. Diese Richtlinie wurde in den Kapiteln E und F schon hinsichtlich der Entgeltgleichheit behandelt.

Chancengleichheit und Gleichbehandlung außerhalb des Entgeltbereiches

Nach Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2006/54/EG soll die Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Arbeitsund Berufsleben auch außerhalb von Entgeltfragen sichergestellt werden. Zu diesem Zweck soll die Richtlinie Bestimmungen zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung enthalten, in Bezug auf

a. den Zugang zur Beschäftigung einschließlich des beruflichen Aufstiegs und der Berufsbildung,

b. Arbeitsbedingungen,

c. betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit.

Zudem enthält die Richtlinie Bestimmungen, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Verwirklichung durch die Schaffung angemessener Verfahren wirksamer gestaltet wird.

Spezielle Diskriminierungsverbote für den öffentlichen und privaten Sektor enthält Art. 14 Abs. 1 Richtlinie 2006/54/EG. Danach darf es u. a. keinerlei unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben in Bezug auf

a. die Bedingungen einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen

für den Zugang zur Beschäftigung einschließlich des beruflichen Aufstiegs,

b. den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung einschließlich der praktischen Berufserfahrung,

c. die Beschäftigungsund Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen sowie das Arbeitsentgelt,

d. die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer oder

Arbeitgeberorganisation.

In Art. 17 und 18 Richtlinie 2006/54/EG sind Vorschriften zum Rechtsschutz und zum Schadenersatz oder zur Entschädigung enthalten. Die prozessual wichtigen Beweislastfragen regelt Art. 19 der Richtlinie.

Positive Maßnahmen zum Ausgleich von Benachteiligungen

Von praktischer und auch aktueller rechtspolitischer Bedeutung sind die nach Art. 3 der Richtlinie 2006/54/EG vorgesehenen positiven Maßnahmen zum Ausgleich von Benachteiligungen. Danach können Mitgliedsstaaten im Hinblick auf die Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben Maßnahmen im Sinne von Art. 141 Abs. 4 EWG-Vertrag (nunmehr Art. 157 Abs. 4 AEUV) beschließen. Nach der vorgenannten Vorschrift hindert der Grundsatz der Gleichbehandlung die Mitgliedsstaaten nicht daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen. Ergänzt werden diese Absicherungen schließlich durch die Richtlinie 92/85/EWG (Mutterschutz-Richtlinie), deren Ziel es ist, Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen zu schaffen.

Schließlich ist auch an dieser Stelle eine Abgrenzung zur GleichbehandlungsRahmenrichtlinie (RL 2000/78/EG) geboten. Die Richtlinie 2006/54/EG enthält spezielle Regelungen zur Verhinderung der Diskriminierung zwischen Männern und Frauen in Beschäftigung und Beruf. Die Gleichbehandlungs-Rahmenrichtlinie betrifft zwar auch die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, enthält allerdings nicht das Diskriminierungsmerkmal Geschlecht, so dass mit dieser Richtlinie 2000/78/EG nur Ungleichbehandlungen wegen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion, der Weltanschauung der Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, nicht aber wegen des Geschlechts verhindert werden können (vgl. Kap. 8 und 9).

 
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