Fall Dekker EuGH Slg. 1990, I-3941

Frau D bewarb sich bei einer niederländischen Bildungsstätte als Erzieherin. Als sie die Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft wahrheitsgemäß beantwortet hat, wurde ihre Bewerbung allein deswegen zurückgewiesen. Der Arbeitgeber hat die Weigerung, Frau Dekker einzustellen, im Wesentlichen damit begründet, dass er vom Risicofonds (der zuständigen Stelle für Sozialvorsorge) nicht die Erstattung des Krankengelds erlangen könnte, das er ihr während ihrer durch die Schwangerschaft verursachten Fehlzeiten zahlen müsste, dass er aber dennoch gezwungen wäre, einen Vertreter einzustellen. Nach der seinerzeitigen niederländischen Rechtslage konnte aufgrund des Ziekengeldreglements (Krankengeldregelung) die Leitung des Risicofonds einem Mitglied (dem Arbeitgeber) die Erstattung des Krankengeldes ganz oder teilweise verweigern, wenn ein Versicherter (Arbeitnehmer) innerhalb eines halben Jahres nach dem Zeitpunkt des Beginns der Versicherung zur Verrichtung seiner Arbeit unfähig geworden ist. Zudem sahen die nationalen Regelungen eine Gleichstellung zwischen Schwangerschaft und Krankheit vor. D verklagt die Bildungsstätte auf Schadenersatz wegen Verdienstausfall. Das Kassationsgericht beim Hoge Raad legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob eine Diskriminierung vorliegt, wenn Arbeitgeber Frauen im Rahmen des Bewerbungsgesprächs nach einer Schwangerschaft befragen und unter welchen Voraussetzungen in diesem Fall Sanktionen vorzusehen sind.

Der EuGH sieht eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne der Richtlinie 76/207/EWG (nunmehr Richtlinie 2006/54/EG, ergänzend Richtlinie 92/85/EWG Mutterschutz-RL). Nach Auffassung des EuGH kommt die Verweigerung einer Einstellung wegen Schwangerschaft nur gegenüber Frauen in Betracht und stellt damit eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes dar. In einem solchen Fall muss jeder einzelne Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot für sich ausreichen, um eine Haftung des Arbeitgebers zu begründen. Ein Verschulden sei nicht erforderlich.

1. Ein Arbeitgeber verstößt unmittelbar gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz wenn er es ablehnt, mit einer von ihm für geeignet befundenen Bewerberin einen Arbeitsvertrag zu schließen, weil er wegen der Einstellung einer schwangeren Frau Nachteile zu befürchten hat, die sich aus einer staatlichen Regelung über die Arbeitsunfähigkeit ergeben, wonach eine mit Schwangerschaft und Entbindung zusammenhängende Verhinderung an der Arbeitsleistung einer Verhinderung wegen Krankheit gleichsteht. Eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung liegt auch dann vor, wenn sich kein Mann um die freie Stelle beworben hat. (Rn. 14, 18)

2. Die Richtlinie 76/207/EWG (nunmehr Richtlinie 2006/54/EG) überlässt es zwar den Mitgliedstaaten, die Sanktion für einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot unter den verschiedenen Möglichkeiten auszuwählen, die zur Verwirklichung des Ziels der Richtlinie geeignet sind. Wenn sich ein Mitgliedstaat für eine Sanktion entscheidet, die sich in den Rahmen einer zivilrechtlichen Haftungsregelung einfügt, muss jeder Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot für sich ausreichen, um die volle Haftung seines Urhebers auszulösen, ohne dass die im nationalen Recht vorgesehenen Rechtfertigungsgründe berücksichtigt werden können. (Rn. 26)

3. Wenn die Haftung eines Arbeitgebers für Verstöße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung davon abhinge, dass ein Verschulden des Arbeitgebers nachgewiesen wird und kein durch das anwendbare nationale Recht anerkannter Rechtfertigungsgrund vorliegt, würde dies die praktische Wirksamkeit dieser Grundsätze erheblich beeinträchtigen. (Rn. 24)

 
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