Fall Mary Brown EuGH Slg. 1998, 4185

Frau B arbeitet als Auslieferungsfahrerin für die Firma Rentokil Ltd. in Manchester. Im August 1995 unterrichtete B ihre Arbeitgeber von der bestehenden Schwangerschaft. Seit diesem Zeitpunkt ergaben sich gesundheitliche Probleme, die zu einer langwierigen Arbeitsunfähigkeit führten. Nach dem Arbeitsvertrag der Firma Rentokil Ltd. endet ein Arbeitsverhältnis – entsprechend der damaligen Rechtslage im Vereinigten Königreich – automatisch, wenn der Arbeitnehmer mehr als 26 Wochen ununterbrochen krankheitsbedingt der Arbeit fern bleibt. B klagte daraufhin vor dem Industrial Tribunal. Das House of Lords legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob eine Verletzung der Gleichbehandlungs-Richtlinie von Männern und Frauen vorliege, wenn eine Arbeitnehmerin wegen Fehlzeiten aufgrund von Schwangerschaft gekündigt werde.

Der EuGH sieht in der Entlassung aufgrund der ausschließlich schwangerschaftsbedingten Fehlzeiten eine unmittelbare Diskriminierung von Frauen und damit eine Verletzung von Art. 10 der Richtlinie 92/85/EWG (Mutterschutz-RL) bzw. der Richtlinie 76/207/EWG (nunmehr Richtlinie 2006/54/EG).

1. Eine Entlassung wegen Schwangerschaft oder aus einem im Wesentlichen auf der Schwangerschaft beruhenden Grund stellt eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar, weil sie nur bei weiblichen Arbeitnehmern in Betracht kommt. (Rn. 16)

2. Im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz ist es legitim, zum einen die körperliche Verfassung der Frau während und nach der Schwangerschaft und zum anderen die besondere Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind während der Zeit, die an die Schwangerschaft und Entbindung anschließt, zu schützen. (Rn. 17)

3. Die Entlassung einer schwangeren Frau kann auch nicht damit begründet werden, dass diese wegen ihres Zustande unfähig ist, die Arbeitsleistung zu erbringen, zu der sie sich gegenüber ihrem Arbeitgeber verpflichtet hat. Andernfalls käme der der Frau während der Schwangerschaft vom Gemeinschaftsrecht gewährleistete Schutz nur denjenigen schwangeren Arbeitnehmerinnen zugute, die in der Lage sind, ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen einzuhalten, so dass die Richtlinie 76/207/EWG (nunmehr Richtlinie 2006/54/EG und 92/85/EWG) ihre praktische Wirksamkeit verlieren würde. (Rn. 21)

4. Wenn nämlich der Zustand der Schwangerschaft auch keineswegs einem krankhaften Zustand gleichzustellen ist, so kann es doch während der Schwangerschaft zu Problemen und Komplikationen kommen, die die Frau zwingen, sich einer strengen ärztlichen Überwachung zu unterziehen und sich gegebenenfalls während der gesamten Schwangerschaft oder während eines Teils derselben in jeder Hinsicht zu schonen. Diese Probleme und Komplikationen, die eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben können, gehören zu den mit einer Schwangerschaft verbundenen Risiken und damit zu dem, was das Spezifische dieses Zustands ausmacht. (Rn. 22)

5. Wird eine Arbeitnehmerin während ihrer Schwangerschaft aufgrund von Fehlzeiten entlassen, die sich aus ihrer durch die Schwangerschaft bedingten Arbeitsunfähigkeit ergeben, so hängt diese Entlassung mit den Risiken zusammen, die mit einer Schwangerschaft verbunden sind, so dass die Schwangerschaft als der hauptsächliche Grund für die Entlassung anzusehen ist. Eine solche Entlassung kann nur Frauen treffen und ist daher als eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts anzusehen. (Rn. 24)

 
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