Fall Hörnfeldt EuGH NZA 2012, 785

Der schwedische Arbeitnehmer Hörnfeldt war von 1989 bis 2009 beim damaligen Postverk (Postdienst) beschäftigt. In den ersten Jahren war er lediglich einen Tag pro Woche auf Stundenbasis tätig und seit 2006 in einem Umfang von 75 % der regelmäßigen Arbeitszeit. Am 15. Mai 2009 vollendete Herr Hörnfeldt sein 67. Lebensjahr. Nach den §§ 32 a und 33 des schwedischen Kündigungsschutzgesetzes (LAS) darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht aus Altersgründen kündigen, solange der Arbeitnehmer nicht das 67. Lebensjahr vollendet hat. Umgekehrt darf er das Arbeitsverhältnis dann aber einseitig beenden, wenn der Arbeitnehmer diese Altersgrenze überschritten hat. Flankierend dazu ist sozialversicherungsrechtlich bestimmt, dass Arbeitnehmer mit Erreichen des 67. Lebensjahres zum Bezug einer Altersrente berechtigt sind. Herr Hörnfeldt ist der Auffassung, dass er hierdurch wegen seines Alters diskriminiert wird. Das schwedische Kündigungsschutzgesetz bewirke, dass sein Arbeitsverhältnis am letzten Tag des Monats ende, an dem er das

67. Lebensjahr vollendet habe, so dass eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung vorliege. Außerdem sei er in Anbetracht seiner geringen Rente darauf angewiesen, über das 67. Lebensjahr hinaus weiterzuarbeiten. Der Södertöns Tingrätt legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG so auszulegen sei, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegenstehe, die es dem Arbeitgeber erlaubt, das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers bei Erreichen des 67. Lebensjahres durch Kündigung zu beenden.

Der EuGH hält die §§ 32 a u. 33 LAS für europarechtskonform. Starre Altersgrenzen seien jedenfalls dann zulässig, wenn sie das Arbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt beendigen, zu dem der Arbeitnehmer eine Regelaltersgrenze beanspruchen kann. Erforderlich sei ferner, dass die Ungleichbehandlung objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die vorliegende Altersregelung ist durch ein legitimes Ziel der Beschäftigungsund Arbeitsmarktpolitik gerechtfertigt. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Betroffene nur eine sehr geringe Altersrente beziehen werde.

1. Es steht außer Frage, dass die 67 Jahre-Regelung eine Ungleichbehandlung wegen des Alters im Sinne von Art. 6 Abs. 1 a der Richtlinie 2000/78 darstellt. Nach dieser Regelung stellen Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung dar, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. (Rn. 20, 21)

2. Die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente erfüllen, ist seit langem Teil des Arbeitsrechts zahlreicher Mitgliedsstaaten und daher weithin üblich. Dieser Mechanismus beruht auf einem Ausgleich zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen, demografischen und/oder haushaltsbezogenen Erwägungen und hängt von der Entscheidung ab, die Lebensarbeitszeit der Arbeitnehmer zu verlängern oder im Gegenteil deren früheren Eintritt in den Ruhestand vorzusehen. Dabei ist die Förderung von Einstellungen unbestreitbar ein legitimes Ziel der Sozialund Beschäftigungspolitik der Mitgliedsstaaten, zumal wenn es darum geht, den Zugang jüngerer Personen zur Ausbildung des Berufes zu fördern. (Rn. 28, 29)

3. Daher sind die vorgenannten Ziel grundsätzlich als solche anzusehen, die eine Ungleichbehandlung wegen des Alters im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 als objektiv und angemessen erscheinen lassen und im Rahmen des nationalen Rechts rechtfertigen. Dabei ist auch der weite Ermessensspielraum der Mitgliedsstaaten zu berücksichtigen, den diese bei der Verfolgung bestimmter sozialund beschäftigungspolitischer Ziele haben. (Rn. 30)

4. Hinzu kommt, dass nach § 33 LAS die Betroffenen nicht automatisch gezwungen werden, endgültig aus dem Arbeitsmarkt auszuscheiden. Es handelt sich um keine zwingende Regelung. Vielmehr sieht sie lediglich die Voraussetzungen vor, unter denen ein Arbeitgeber vom Grundsatz des Verbots der Diskriminierung wegen Alters abweichen und ein Arbeitsverhältnis des Beschäftigten beenden kann, weil dieser das 67. Lebensjahr vollendet hat. Zudem stellt die 67-Jahres-Regelung nicht nur darauf ab, dass ein bestimmtes Alter erreicht wird, sondern sie berücksichtigt auch, dass dem Arbeitnehmer am Ende seiner beruflichen Laufbahn ein finanzieller Ausgleich durch einen Einkommensersatz in Gestalt einer Altersrente zugutekomme. (Rn. 40, 42)

 
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