Fall Feryn EuGH Slg. 2008, I-5187

Ein belgisches Centrum gegen Rassendiskriminierung, das als eine nach Art. 13 der Richtlinie 2000/43 bezeichnete Stelle zur Förderung der Gleichbehandlung anerkannt ist, beantragte vor dem Arbeitsgericht Brüssel festzustellen, dass die Firma Feryn NV, ein auf Verkauf und Einbau von Schwingund Sektionaltoren spezialisiertes Unternehmen, eine diskriminierende Einstellungspolitik betreibe. Das Centrum stützt sich auf die öffentliche Äußerung des Direktors dieses Unternehmens, wonach sein Betrieb grundsätzlich Monteure einstellen wolle, aber keine Menschen fremder Herkunft beschäftigen könne, da die Kunden Bedenken hätten, ihnen für die Dauer der Arbeiten Zugang zu ihren Privatwohnungen zu gewähren. Nach Abweisung der Klage durch das Arbeitsgericht legte der Arbeidshof te Brussel (Arbeitsgerichtshof Brüssel) im Rahmen des Berufungsverfahrens dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 a der Richtlinie 2000/43 vorliege, wenn ein Arbeitgeber, nachdem er Angebote für eine Arbeit ausgeschrieben hat, öffentlich sinngemäß erklärt, er müsse sich nach Forderungen seiner Kunden richten und könne daher keine Menschen fremder Herkunft zur Montage vor Ort schicken. Die Kunden würden ihm dann mitteilen, „ich brauche diese Tür nicht unbedingt von Ihnen“ und werden Konkurrenten beauftragen.

Der EuGH führt aus, dass öffentliche Äußerungen eines Arbeitgebers, er werde keine Arbeitnehmer einer bestimmten ethnischen Herkunft oder Rasse einstellen, eine unmittelbare Diskriminierung bei der Einstellung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 a Richtlinie 2000/43 darstelle. Dabei reichen entsprechende öffentliche Äußerungen durch einen Arbeitgeber aus, um die Vermutung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie zu begründen. Es sei dann Aufgabe des Arbeitgebers zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen habe.

1. Zunächst kann aus dem Fehlen einer identifizierbaren beschwerten Person nicht auf das Fehlen einer unmittelbaren Diskriminierung im Sinne der Richtlinie 2000/43 geschlossen werden. Ziel dieser Richtlinie ist nämlich laut ihrem achten Erwägungsgrund, „günstigere Bedingungen für die Entstehung eines Arbeitsmarkts zu schaffen, der die soziale Integration fördert“. Zu diesem Zweck bestimmt Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie, dass sie sich insbesondere auf die Auswahlkriterien und die Einstellungsbedingungen bezieht. (Rn. 23)

2. Das Ziel, günstigere Bedingungen für die Entstehung eines Arbeitsmarkts zu schaffen, der die soziale Integration fördert, würde schwerlich erreicht, wenn der Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/43 nur auf diejenigen Fälle beschränkt wäre, in denen ein Bewerber um eine Stelle, der erfolglos geblieben ist und sich als Opfer einer unmittelbaren Diskriminierung sieht, gerichtliche Schritte gegen den Arbeitgeber eingeleitet hätte. (Rn. 24)

3. Die öffentliche Äußerung eines Arbeitgebers, er werde keine Arbeitnehmer einer bestimmten ethnischen Herkunft oder Rasse einstellen, die offenkundig bestimmte Bewerber ernsthaft davon abhalten kann, ihre Bewerbungen einzureichen, und damit ihren Zugang zum Arbeitsmarkt behindert, begründet eine unmittelbare Diskriminierung bei der Einstellung im Sinne der Richtlinie 2000/43. Eine solche Diskriminierung setzt nicht voraus, dass eine beschwerte Person, die behauptet, Opfer einer derartigen Diskriminierung geworden zu sein, identifizierbar ist. Für eine Diskriminierung ist ausreichend, dass solche Äußerungen bestimmte Bewerber ernsthaft davon abhalten können, ihre Bewerbungen einzureichen, und damit ihren Zugang zum Arbeitsmarkt behindern. (Rn. 25, 28)

4. Nach Art. 8 der Richtlinie 2000/43 obliegt dem Beklagten der Beweis, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen habe, wenn Tatsachen das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen. Die Verpflichtung zur Führung des Gegenbeweises, die somit denjenigen trifft, dem die Diskriminierung angelastet wird, hängt nur von der Feststellung ab, dass aufgrund glaubhafter Tatsachen das Vorliegen einer Diskriminierung zu vermuten ist. (Rn. 30)

5. Solche Tatsachen, die geeignet sind, eine diskriminierende Einstellungspolitik vermuten zu lassen, können Äußerungen sein, durch die ein Arbeitgeber öffentlich kundtut, dass er im Rahmen seiner Einstellungspolitik keine Arbeitnehmer einer bestimmten ethnischen Herkunft oder Rasse beschäftigen werde. Es obliegt daher diesem Arbeitgeber, den Beweis zu erbringen, dass er den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt hat, was er u. a. dadurch tun kann, dass er nachweist, dass die tatsächliche Einstellungspraxis des Unternehmens diesen Äußerungen nicht entspricht. (Rn. 31, 32)

6. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zum einen zu prüfen, ob die diesem Arbeitgeber vorgeworfenen Tatsachen glaubhaft sind, und zum anderen zu beurteilen, ob die Beweise, die er zur Stützung seines Vorbringens, dass er den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt habe, ausreichend sind. (Rn. 33)

7. Art. 15 der Richtlinie 2000/43 überträgt den Mitgliedstaaten die Aufgabe, die Sanktionen festzulegen, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung dieser Richtlinie zu verhängen sind. Nach diesem Artikel müssen die Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und können Schadensersatzleistungen an die Opfer umfassen. Die Richtlinie 2000/43 verpflichtet jedoch nicht zu bestimmten Sanktionen, sondern belässt den Mitgliedstaaten die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen Lösungen, die zur Verwirklichung des Ziels, das sie festlegt, geeignet sind. (Rn. 36, 37)

 
< Zurück   INHALT   Weiter >