Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG)

Bis zur Verabschiedung des MiLoG mit Wirkung zum 1. Januar 2015 erfolgte die Umsetzung der EU-Richtlinie 96/71/EG durch eine Novellierung des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (AEntG). Das AEntG ist für Entsendungsfälle nach wie vor von Bedeutung, da das MiLoG wie ausgeführt nach §§ 1 Abs. 3, 3 MiLoG lediglich eine Untergrenze darstellt und weitergehende Ansprüche nach dem AEntG nicht ausschließt.

Ziel des AEntG ist die Schaffung und Durchsetzung angemessener Mindestarbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und – nach mehreren Gesetzesnovellen – nunmehr auch für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer sowie die Gewährleistung fairer und funktionierender Wettbewerbsbedingungen. Üblicherweise ergeben sich arbeitsvertragliche Mindestbedingungen in Entsendungsfällen aus Rechtsnormen eines bundesweit geltenden Tarifvertrages. Diese Rechtsnormen finden nach § 3 AEntG auch auf Arbeitsverhältnisse zwischen einem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und seinen im räumlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages beschäftigten Arbeitnehmern zwingend Anwendung, wenn der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt ist oder eine Rechtsverordnung nach § 7 vorliegt.

§ 7 AEntG enthält eine Ermächtigung an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass die Rechtsnormen eines Tarifvertrages auf alle unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallenden und nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung finden. Der Verordnungsgeber hat von dieser Ermächtigung für die in § 4 genannten einbezogenen Branchen mittlerweile Gebrauch gemacht. Verfahrensrechtliche Voraussetzungen für eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung durch Rechtsverordnung ist lediglich die Stellung eines gemeinsamen Antrags der Parteien des Tarifvertrages und nicht die erfolglose Durchführung eines Allgemeinverbindlichkeitsverfahrens nach § 5 TVG. Nach dem TVG ist die Zustimmung eines Tarifausschusses und der Nachweis erforderlich, dass mindestens 50 % aller Arbeitnehmer der jeweiligen Branche in tarifgebundenen Betrieben tätig sind. Aufgrund dieser erschwerten Voraussetzungen verlagerte sich das Mindestlohnverfahren auf die Regelungen des AEntG, da hier weder der Nachweis einer Tarifbindung von 50 % noch das Einvernehmen des Tarifausschusses erforderlich ist.

Ergänzt werden die zwingenden Regelungen über die Anwendbarkeit von Tarifverträgen in den §§ 3, 4, 7 AEntG durch eine Garantiehaftung nach § 14 AEntG. Danach haftet ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt, für die Erfüllung der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestentgeltes und der Urlaubskassenbeiträge wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Es handelt sich insoweit um eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Auftraggebers. Die §§ 16 ff AEntG enthalten verfahrensmäßige Ermächtigungen für die als Aufsichtsbehörde zuständige Zollverwaltung (vgl. Kap. 12). Ein Unterschreiten der dargestellten Mindestarbeitsbedingungen ist nach § 23 AEntG bußgeldbewährt. So kann die Nichtgewährung von im AEntG vorgesehenen Arbeitsbedingungen nach § 23 AEntG, § 18 MiArbG mit einem Bußgeld bis zu 500.000,00 €, die Verweigerung von Prüfungsund Nachweispflichten mit einem Bußgeld von bis zu 30.000,00 € geahndet werden. Darüber hinaus kann ein Unterschreiten entsprechend § 21 AEntG zum Ausschluss vom Wettbewerb über einen Liefer-, Bauoder Dienstleistungsauftrag führen.

Nach den Grundsätzen des IPR handelt es sich bei den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen um eine zwingende Eingriffsnorm im Sinne von Art. 9 Rom-I-VO, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisationen angesehen wird, dass sie ungeachtet des anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen. Die sich aus den oben genannten Branchentarifverträgen ergebenden Mindestlohnund Mindestgehaltssätze stellen daher nach dem System des AEntG einen Mindestlohn im Sinne der oben genannten Entsende-Richtlinie dar, der über den allgemeinen Mindestlohn hinausgeht und auch von Arbeitgebern aus dem EU-Ausland bei einer Entsendung ihrer Arbeitnehmer nach Deutschland zu zahlen wäre.

 
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