Auswirkung auf die deutsche Rechtsordnung und die arbeitsund strafrechtliche Praxis
Die dargestellten Entscheidungen verdeutlichen zunächst das Fehlen eines abgestimmten präventiven Verfahrens zum Austausch von Daten und Informationen auf EU-Ebene. Jeder Mitgliedsstaat erlässt daher nach eigenem Ermessen Anmelde-, Auskunfts-, Dokumentationsund Nachweispflichten, die dann wegen einer möglichen Verletzung der Dienstleistungsfreiheit ausländischer Arbeitgeber zu den dargestellten Vertragsverletzungsverfahren geführt haben. Aus den EuGH-Entscheidungen wird hinreichend deutlich, dass die Mitgliedsstaaten zwar nach eigenem Ermessen entsprechende administrative Pflichten vorsehen können, sie dabei aber die EU-Grundfreiheiten und insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten müssen.
Grundsätzliche Zulässigkeit der deutschen Regelungen über Anmelde-, Dokumentationsund Nachweispflichten
Unter Beachtung der dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze dürften die im MiLoG und im AEntG vorgesehenen Regelungen über die vorherige Anzeige der Tätigkeit von Arbeitnehmern aus dem EU-Ausland grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar sein. § 16 MiLoG sieht für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland die Verpflichtung vor, vor Beginn jeder Werkoder Dienstleistung eine schriftliche Anmeldung in deutscher Sprache bei der zuständigen Behörde der Zollverwaltung vorzulegen. Betroffen von dieser Meldepflicht sind die in § 2 a SchwarzarbeitsbekämpfungsG genannten Branchen. Vergleichbare Meldepflichten finden sich in § 18 Abs. 1 AEntG für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, die Arbeitnehmer in einer der in den §§ 3, 4 AEntG genannten Branchen entsenden.
§ 16 MiLoG bzw. § 18 AEntG sieht damit lediglich ein Anzeigeverfahren und kein Genehmigungsverfahren vor. Ein Anzeigeverfahren ist grundsätzlich mit der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV vereinbar, da es in verhältnismäßiger Weise den Mitgliedsstaat berechtigt, die Einhaltung der Mindeststandards nach Art. 3 Abs. 1 Entsende-Richtlinie zu überwachen. Nach der EuGH-Rechtsprechung ist lediglich eine vorherige Genehmigung für die Entsendung oder ein Registrierungsverfahren mit einem Bekanntgabeerfordernis mit der Dienstleistungsfreiheit unvereinbar. Auch fordert weder das MiLoG noch das AEntG die Beibringung einer Bankbürgschaft oder fordert von den entsandten Arbeitnehmern eine Vorabbeschäftigungszeit von einem Jahr bei dem entsendenden Unternehmen.
Die in § 17 MiLoG bzw. § 19 AEntG vorgesehenen Dokumentationsund Aufbewahrungspflichten dürften unter dem Vorbehalt, dass keine vergleichbaren Unterlagen im Niederlassungsstaat vorhanden sind, auf die sich der EU-Dienstleister ohne Probleme gegenüber der Zollverwaltung berufen könnte, ebenfalls mit dem Unionsrecht vereinbar sein. Allerdings könnte die in § 17 Abs. 2 Satz 1 MiLoG und § 19 Abs. 2 Satz 1 AEntG vorgesehene Verpflichtung zur Bereithaltung der Unterlagen für längstens zwei Jahre mit der Dienstleistungsfreiheit unvereinbar sein, wenn bei dem Dienstleister die Bereitschaft bestünde, nach Beendigung der Entsendung der Zollverwaltung die entsprechenden Personaldokumente zu übergeben.