Absolute Metapher als Sonderform der Metaphern

Der Begriff ,absolute Metapher' wurde von dem deutschen Philosophen Hans Blumenberg im Jahr 1960 mit seinem Beitrag „Paradigmen zu einer Metaphrologie“ im „Archiv für Begriffsgeschichte“ von Erich Rothacker geprägt. [1] Blumenberg unterscheidet zunächst gemäß ihrer Bedeutung für die philosophische Sprache zwei Klassen von Metaphern: Metaphern als ,Restbestände' und Metaphern als ,Grundbestände' der Sprache (vgl. Blumenberg 1998: 10). Metaphern als Restbestände charakterisiert er als „Rudimente auf dem Wege vom Mythos zum Logos; als solche indizieren sie die cartesische Vorläufigkeit der jeweiligen geschichtlichen Situation der Philosophie, die sich an der regulativen Idealität des puren Logos zu messen hat“ (ebd., Hervorhebungen im Original). Dieser Metapherntyp stellt sozusagen die Vorstufe zum Begriff dar und hat das Potenzial sich zu einem Terminus zu entwickeln. Hingegen handelt es sich bei den absoluten Metaphern als ,Grundbestände' der Sprache nach Blumenberg um

„(…) ,Übertragungen', die sich nicht ins Eigentliche, in die Logizität zurückholen lassen. Wenn sich zeigen läßt, daß es solche Übertragungen gibt, die man ,absolute Metaphern' nennen müßte, dann wäre die Feststellung und Analyse ihrer begrifflich nicht ablösbaren Aussagefunktion ein essentielles Stück der Begriffsgeschichte.“ (Blumenberg 1998: 10)

„Daß diese Metaphern absolut genannt werden, bedeutet nur, dass sie sich gegenüber dem terminologischen Anspruch als resistent erweisen, nicht in Begrifflichkeit aufgelöst werden können, nicht aber, daß nicht eine Metapher durch eine andere ersetzt bzw. vertreten oder durch eine genauere korrigiert werden kann.“ (a.a.O.: 1213)

Absolute Metaphern bezeichnen Phänomene, die nicht begrifflich, sondern nur metaphorisch zu erfassen sind (vgl. a.a.O.: 177). Solche Phänomene sind nach Blumenberg das Sein, die Geschichte, die Welt, das Leben oder die Zeit (Blumenberg 1979: 90-97). Bei der Darlegung seines Verständnisses der absoluten Metapher verweist Blumenberg auf die wesentliche Übereinstimmung mit dem Kantschen Symbolbegriff (dargelegt in der Schrift „Kritik der Urteilskraft“), der als Verfahren der Übertragung von Reflexion definiert ist (vgl. Blumenberg 1998: 11): „Unsere ,absolute Metapher' findet sich hier als Übertragung der Reflexion über einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz anderen Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann“ (a.a.O.: 12, Hervorhebungen im Original). Die absolute Metapher hat vor diesem Hintergrund eine pragmatische Funktion: Sie dient nicht der theoretischen, sondern der praktischen Bestimmung eines Phänomens und zwar in der Form, welche Vorstellung bzw. Idee dieses Phänomen für den Menschen hat und wie diese Idee genutzt werden soll (vgl. Blumenberg 1998: 12). [2] Vor diesem Hintergrund verfügen absolute Metaphern über eine Geschichte. Sie indizieren, wie eine Epoche über das ihnen zugrundeliegende Phänomen gedacht hat:

„(…) die fundamentalen, tragenden Gewißheiten, Vermutungen, Wertungen, aus denen sich die Haltungen, Erwartungen, Tätigkeiten und Untätigkeiten, Sehnsüchte und Enttäuschungen, Interessen und Gleichgültigkeiten einer Epoche regulieren.“ (a.a.O.: 25)

Aufgrund der Zuschreibung einer geschichtlichen Entwicklung, bezogen auf das zugrundeliegende Phänomen, ist es denn auch möglich, dass eine absolute Metapher über die zeitlichen Epochen hinweg durch eine andere ersetzt werden kann. [3]

Absolute Metaphern bieten Orientierung und Struktur, die es eigentlich nicht gibt, und beeinflussen damit menschliches Verhalten: „Ihr Gehalt [der absoluten Metapher, C.D.] bestimmt als Anhalt von Orientierungen ein Verhalten, sie geben einer Welt Struktur, repräsentieren das nie erfahrbare, nie übersehbare Ganze der Realität“ (a.a.O.: 25).

Thomas Rentsch (2009) arbeitet „den aporetischen theoretischen Charakter der absoluten Metapher“ (Mende 2009: 19) heraus, indem er Blumenbergs Bezug auf den Kantschen Symbolbegriff durch Wittgenstein vertieft (vgl. ebd.). Rentsch kommt zu dem Ergebnis, dass das, was Kant als ,Symbole' und Blumenberg als ,absolute Metapher' benennen, auch als Bilder bezeichnet werden können. Es handelt sich dabei um Bilder, die keine Abbilder darstellen (vgl. Rentsch 2009: 140):

„Wir können sie [Symbole nach Kant, absolute Metaphern nach Blumenberg, C.D] als Bild verstehen, die zwar – mit den Unterscheidungen Freges – einen Sinn haben, aber keine Bedeutung, nämlich keine Referenzen auf einen der Rede externen Gegenstand. Insofern würden diese Bilder rede-intern gegenstandskonstitutiv fungieren, und zwar durch ihren Gebrauch, durch ihre jeweilige Verwendung in bestimmten Praxiszusammenhängen. Lösen wir uns von Freges Unterscheidung, dann können wir jedenfalls von einem festen gemeinsamen Gebrauch solcher nichtabbildender Bilder ausgehen.“ (a.a.O.: 140)

Die Entwicklung und Anwendung von absoluten Metaphern erfolgt aufgrund ihrer Eigenschaft, dass durch sie aufgezeigt werden kann, wie etwas gesehen werden soll:

„Ihr Wesen besteht in ihrem Gebrauch. Sie gehören zur Grammatik der Sprache im wittgensteinschen Sinne. Das heißt, sie gehören zum konstitutiven kulturellen framework, sie artikulieren keine Tatsache (Fakten), die in der Welt empirisch vorfindlich sind, sondern sie artikulieren (zeigen) die Form der Welt.“ (Rentsch 2009: 142, Hervorhebungen im Original)

Letztendlich werden durch Symbole (Kant)/absolute Metaphern (Blumenberg)/ konstitutive Bildlichkeit (Rentsch) Perspektiven unseres Weltund Selbstverständnisses aufgezeigt (vgl. Rentsch 2009: 148).

  • [1] Der Beitrag wurde 1998 im Suhrkamp Verlag als Buch veröffentlicht. Diese Ausgabe liegt den weiteren Erläuterungen der Verfasserin zugrunde
  • [2] Rentsch (2009) bezeichnet diese pragmatische Funktion auch als „pragmatischen Kontextholismus“, der laut Rentsch auch eine Kernthese von Paul Ricœur bestätigt: „Es geht bei der Analyse von Metaphern um die Sätze als die erste, fundamentale semantische Einheit, in denen die Metaphern auftreten, und damit auch um die Gebrauchskontexte dieser Sätze“ (Rentsch 2009: 139, Hervorhebung im Original; vgl. auch Kapitel 7.5.3 in der vorliegenden Arbeit).
  • [3] In den „Paradigmen zu einer Metaphorologie“ setzt sich Blumenberg mit der Wahrheitsmetaphorik zunächst im historischen Längsschnitt auseinander, um anschließend in einem terminologisch-metaphorologischen Querschnitt fassbar zu machen, welche Bedeutung die herangezogenen Metaphern haben (vgl. Blumenberg 1998).
 
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