Austauschbarkeit der metaphorischen Anteile: lebenslang – lebenslänglich – lebensbegleitend
Ein weiteres Merkmal der theoretischen Unbestimmbarkeit liegt darin begründet, dass die metaphorischen Anteile der Wortgruppe ,lebenslanges Lernen' austauschbar bzw. synonym verwendbar sind. So kann das Adjektiv ,lebenslang' durch das Adjektiv ,lebenslänglich' ersetzt werden („Und äh, da denke ich, ist eine andere Mentalität erforderlich, also auch ein stärkeres Bewusstsein für die Bedeutung des lebenslangen äh, des lebenslänglichen oder wie immer man das nennen will, äh Lernens.“ Interview-Nr. 16, Herr Wolf, SEK, Z. 91-93). Bei diesem Austausch der metaphorischen Komponenten ,lebenslang' und ,lebenslänglich' kann jedoch eine Verstärkung der beim lebenslangen Lernen mitschwingenden negativen Konnotation stattfinden, welche Geißler und Orthey (1998) beispielsweise als „die Determiniertheit – und damit die Entwertung – aller Lebensgegenwarten durch das Lernen“ (Geißler & Orthey 1998: 28) bezeichnen. Im erziehungswissenschaftlichen Diskurs findet sich ein weiteres Synonym, nämlich das des lebensbegleitenden Lernens, welches scheinbar der soeben dargestellten negativen Konnotation bei der Verwendung des Ausdrucks ,lebenslanges Lernen' entgegenwirken und eher auf ein lebensgeschichtliches Lernen und die Aneignung biografischen Wissens (vgl. Alheit & Hoerning 1989) fokussieren soll: „Dieses rekonstruktiv-reflexive Moment [bezogen auf das lebensgeschichtliche Lernen und das biografische Wissen, C.D.] transportiert der häufig synonym gebrauchte Ausdruck ,lebensbegleitendes Lernen' wohl deutlicher als ,lebenslanges Lernen'“ (Brödel 2003: 129). [1]
- [1] Wie auch der Ausdruck ,lebenslanges Lernen' wird auch die Akzentverschiebung ,lebensbegleitendes Lernen' durchaus kritisch betrachtet. So konstatiert Gerlach (2000) in Bezug auf die Verwendung des Ausdrucks ,lebensbegleitendes Lernen': „Hier scheint jedoch eher ein psychologischer Moment, denn eine neue differenzierende Terminologie begründet zu sein. Ein eventuell ‚beängstigender' Einfluss von der Vorstellung einer lebenslangen Eingebundenheit in Lernprozesse soll durch die Vorstellung eines begleitenden Charakters aufgehoben werden. Diese in gewisser Weise nachzuvollziehende Überlegung läuft jedoch gerade der aktuellen Forcierung des Verständnisses von ,lifelong learning as an attitude', wie es in der OECDStudie ,Lifelong Learning for All' in prägnanter Formulierung verdeutlicht wird, entgegen. Lebenslanges Lernen symbolisiert in diesem Sinne ein internalisiertes Verständnis von Lernen als einer ‚natürlichen' Komponente des menschlichen Lebens, in einer bereichernden und menschliches Potential erweiternden Bedeutung“ (Gerlach 2000: 164-165). Interessant ist, unter der Berücksichtigung der Perspektive, dass es sich beim lebenslangen Lernen um eine absolute Metapher handelt, dass auch Gerlach bei ihren Erläuterungen zum Bedeutungshof des lebenslangen Lernens, diesen Ausdruck als Symbol beschreibt („Lebenslanges Lernen symbolisiert“).