Rechtsfolgen für das kollektive Arbeitsrecht

Wie in den vorangegangenen Kapiteln ausgeführt, gehören die Regelungen über die Arbeitnehmermitbestimmung in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedsstaaten. Die Art. 3 und 8 Rom I-VO betreffen allein das individuelle Arbeitsverhältnis. Mit Ausnahme der oben dargestellten Richtlinien über den Europäischen Betriebsrat und die Arbeitnehmerbeteiligung fehlen Kollisionsnormen bzw. EU-Normen über die Anwendung von Mitbestimmungsregelungen. Insoweit gilt für das Betriebsverfassungsrecht als eher öffentlich-rechtliches Regelungswerk das Territorialprinzip. Das BetrVG gilt daher für alle in Deutschland gelegene Betriebe, also auch für inländische Betriebe ausländischer Unternehmen. Daher ist es z. B. nicht zulässig, dass Betriebsversammlungen nach den §§ 42, 43 BetrVG an einer ausländischen Betriebsstätte durchgeführt werden oder dass Betriebsräte entsandte Arbeitnehmer an einem Arbeitsplatz im Ausland entsprechend ihren allgemeinen Aufgaben nach §§ 80, 82 BetrVG aufsuchen. Vom BetrVG erfasst werden auch Arbeitsverhältnisse der in Deutschland arbeitenden Arbeitnehmer, für die ausländisches Recht Anwendung findet. Ausnahmen vom Territorialprinzip bilden lediglich sog. Ausstrahlungssachverhalte. Diese liegen dann vor, wenn deutsche Arbeitnehmer sich nur vorübergehend im Ausland aufhalten, sie aber noch einem deutschen Betrieb zuzuordnen sind. So hat das BAG entschieden, dass ein Lkw-Fahrer, der überwiegend in Italien eingesetzt wird, aber buchhalterisch, lohnsteuerrechtlich und sozialversicherungsrechtlich dem deutschen Betrieb zugeordnet ist, Rechte und Pflichten nach dem deutschen BetrVG wahrnehmen kann.

Umstritten sind Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates beim Auslandseinsatz von Arbeitnehmern. Nach § 99 BetrVG steht dem Betriebsrat bei der Versetzung eines Arbeitnehmers im Ausland ein Mitbestimmungsrecht zu, wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer nach Beendigung seines Aufenthaltes an seinen bisherigen Arbeitsplatz zurückkehrt. Dagegen soll eine bloß kurzfristige Dienstreise eines Mitarbeiters keine mitbestimmungspflichtige Versetzung darstellen. Auch besteht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG kein Mitbestimmungsrecht, wenn die Dienstreisen außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit durchgeführt werden. Dagegen hat der Betriebsrat bei der Vereinbarung von Zulagen für Auslandstätigkeit ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

Die Frage der Anwendung von deutschen Tarifverträgen für im Ausland tätige Beschäftigte, hängt zunächst einmal vom Geltungsbereich des einzelnen Tarifvertrages ab. In aller Regel enthalten Tarifverträge am Anfang eine Regelung über ihren räumlichen Geltungsbereich. Daher können tarifvertragliche Regelungen auch auf im Ausland tätige Arbeitnehmer (z. B. Goethe-Institut, Studienstiftungen) angewandt werden, wenn die Tarifvertragsparteien dies vereinbaren. Darüber hinaus kann sich für ein Mutterunternehmen unter Umständen sogar eine Einwirkungspflicht auf das ausländische Tochterunternehmen ergeben, deutsche Tarifverträge zur Anwendung zu bringen. Sofern der Tarifvertrag nur aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme Anwendung findet, handelt es sich insoweit um individuelle Ansprüche, so dass ergänzend auf die oben genannten Ausführungen zu Art. 8 Rom I-VO verwiesen werden kann.

 
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