Wirtschaft

Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Erinnerungen an die jakobinischen Programme der Mao-Ära zu Zeiten der Kulturrevolution zwischen den Jahren 1965 und 1975 und der internationalen Beobachtungen des schnellen Umbruchs in den osteuropäischen und postsowjetischen Staaten vollzog sich der Beginn der zweiten Reformperiode Anfang der 1990er Jahre. [1] Die zweite Reformperiode kann als liberale Modernisierung im Gegensatz zu den instrumentalistischen Reformen der Mao-Ära eingeordnet werden, wie zum Beispiel der Große Sprung nach vorn, die Hundert-Blumen-Kampagne oder auch die Große Proletarische Kulturrevolution. Bei allen weitgehenden Veränderungen, welche die chinesische Modernisierung in den vergangenen zwanzig Jahren erlebt hat, zeichnet sich die Anpassung der Gegenwart an die Vergangenheit als ein Programm aus, das den Umgang der chinesischen Gesellschaft mit der Welt kennzeichnet und im Kontrast zu modernistischen Utopievorstellungen der Mao-Ära steht. Daraus leiten sich Merkmale ab, die für die chinesische Modernisierung bezeichnend sind.

Das politische System Chinas förderte die Modernisierung innerhalb der chinesischen Gesellschaft mit der wirtschaftlichen Öffnung. Die Öffnung und die Veränderungen, die 1978/79 initiiert wurden, mögen eine Konsequenz auf die katastrophale Wirkung der Kulturrevolution gewesen sein, nichtsdestotrotz waren es gerade die neuen Regelungen nach der Südreise von Deng Xiaoping im Jahr 1992, die eine weitere wirtschaftliche Modernisierung einleiteten und Chinas Aufstieg zur drittgrößten Volkswirtschaft ermöglichten. Das Bemerkenswerte daran ist, dass sie nach der Niederschlagung des Tiananmen-Aufstandes erfolgte, die als Bewegung gegen die Modernisierungsentwicklung des ersten Jahrzehnts gewertet werden kann. Denn in den 1980er Jahren führte die Inklusionsöffnung zu neuem Wohlstand, aber auch zu Wohlstandsverlierern. Die ungleiche Einkommensentwicklung zwischen industriellen und agrarwirtschaftlichen Bereichen, der rasche Anstieg der Inflation, aber auch die politische Elitenförderung und die Korruption führten zu einem inhomogenen Strukturaufbau. Nicht alle Bevölkerungsgruppen hatten ingleichem Umfang an dem neuen Wohlstand teil oder verfügten über Zugang zu den Wohlstandsbereichen.

Die Veränderung des chinesischen Wirtschaftssystems verdeutlichen vier Merkmale: graduelle und modellhafte Reformen, Öffnung (Liberalisierung), Marktorientierung und Dependenz zum politischen System durch patrimoniale beziehungsweise soziale Netzwerkstrukturen.

  • [1] Für die wirtschaftliche Modernisierung wird als Zensurpunkt das Jahr 1992 gesehen, als Deng Xiaoping die weiteren Reformschritte vorstellt, die eine weitere wirtschaftliche Liberalisierung vorsehen. Es sind aber auch die Entwicklungen nach der Niederschlagung des Aufstands auf dem Himmlischen Platz am 04. Juli 1989, die internationalen Veränderungen durch den Umbruch in den osteuropäischen und den post-sowjetischen Staaten im Blick zu behalten. Daher fällt der Beginn in den Anfang der 1990er Jahre.
 
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