Soziale Orientierung
Die chinesische Gesellschaft ist eine Kollektivgesellschaft. Im Unterschied zu Japan gibt es aber in der chinesischen Gesellschaft keinen Vorrang der Gruppe vor dem Einzelnen, aber die sozialen Netzwerke und damit die Netzwerkinteressen und Erwartungen lösen einen Einfluss auf die Kommunikationsgestaltung aus. Ein Anspruch auf Teilnahme an diesen Netzwerken besteht nicht. Die Teilnahme an den sozialen Netzwerken wird vor dem Hintergrund der Netzwerkinteressen und der Anschlussmöglichkeit durch die Erweiterung entschieden. Außerdem fungiert der Netzwerkteilnehmer als Bürge oder gar die damit verbundenen Netzwerkszweige. Die Netzwerkmitgliedschaft bedarf der permanenten Abstimmung und ist damit sehr zeitaufwendig. Damit durchläuft sie ständige kommunikative Interaktionsprozesse, in denen die Netzwerke sich neu formieren, anpassen und abstimmen. Diese Form des Aufbaus und der Selektion führt zu einem flexiblen Aufbau der Erwartungserwartungen, da er permanent auf die Netzwerkinteressen, die Netzwerkmitgliedschaft und die Einhaltung der Mitgliedschaftsbedingungen abgestimmt wird. Die chinesische Gesellschaft ist eine Gesellschaft der Grenzziehungen. Sie wird an den Grenzen beobachtet, die zum Teil sehr stabil und zum Teil hochveränderbar sind. Darin wird die Eigenheit der chinesischen Gesellschaft deutlich, die beides aufweist, eine hohe Dynamik in der Veränderung – vor allem im Wirtschaftssystem –, aber auch eine hohe Stabilität, wie das politische System es in der Vergangenheit unter Beweis gestellt hat.
Für die chinesische Sozialkonstruktion und damit für das Verständnis des kulturellen Hintergrunds, die für die soziale Ordnungsbildung von Relevanz ist, sind die sozialen Netzwerke in der chinesischen Gesellschaft von Bedeutung, da sie die über eine Zuschreibungsmarkierung einen Solidaritätsrahmen liefern, Unterscheidungen setzen und soziale Gruppen stabilisieren. Die Basisgruppe, aus der sich die sozialen Netzwerke bilden, ist das Verwandtschaftssystem. Das chinesische Verwandtschaftssystem zeichnet sich durch eine Verbindung derart aus, dass die Mitglieder in einem Zusammenhang verschmelzen und nicht getrennt von ihren sachlichen Bezügen erfasst werden. Die Symbiose hat Einfluss auf die emotionale Einstellung, die kognitive Selektion und damit auf das Bewusstseinssystem. Die Zuschreibung von Wertschätzung und Anerkennung erfolgt nicht über einen Sachbezug, der sich an eine Prinzipienkultur richtet, sondern sie erfolgt situativ durch die Zuschreibung, ob das Mitglied im Sinne des Verwandtschaftssystems gehandelt hat. Der Sach-, Sozial- und emotionale Bezug verschmelzen in dem Ereignis, was zur Folge hat, dass die Mitglieder nicht als einzelne Bestandteile, sondern als Entitäten zum Ganzen betrachtet werden. In diesem Punkt liegt eine Abweichung von der Orientierung der westlichen Gesellschaften vor, die den Einzelnen als unverwechselbares Individuum beschreibt und ihn mit Zuschreibungen versieht.