Folgerungen: andere Fragestellung

Die Forschungsaufgaben, die sich aus der Modernisierung Chinas ergeben, betreffen Chinas Einordnung in das globale Wirtschaftssystem, seine Rolle im globalen politischen System sowie die Veränderung des Rechts- und des Wissenschaftssystems. Die Globalisierung hat die Kommunikationsprozesse, die Finanz- und Produktionsströme auf globaler Ebene enger vernetzt, aber zugleich auch zu neuen Abgrenzungen und Konflikten geführt, zum Beispiel durch Abspaltungen, asymmetrische Kriege und Kristallisierung von ethnischen Abgrenzungen. Die chinesische Gesellschaft hat sich gewandelt und damit nicht nur ihre Positionierung in der Weltgesellschaft, sondern auch die Ausgestaltung des globalen Wirtschaftssystems und die politische Ordnungaufglobaler Ebenehabensichstrukturellverändert. Diechinesische Gesellschaft wird mit der globalen Einbindung, die sie durch eine Öffnungs- und Integrationsstrategie verfolgt hat, vor neuen Anforderungen an den sozialen Austausch und zunehmende wechselseitige Beeinflussungen stehen. Das betrifft die Verflechtung zwischen den internationalen politischen Systemen, die Integration in das globale Wirtschaftssystem, den kommunikativen Austausch zwischen der internationalen Rechtssetzung und Rechtsanwendung als auch die Suche nach neuen Innovationen und Möglichkeiten zur Resystematisierung des Wissens.

Die weitergehende Forschung sollte sich unter den hier gewonnenen Erkenntnissen nicht an einen technischen Zuschnitt sozialer Prozesse richten, in der Art, dass soziale Systeme zu modellieren sind wie technische Systeme. Ausgehend von der chinesischen Sozialkonstruktion ist zu erkennen, dass Strukturen vorliegen und sich über Mitgliedschaftssysteme, Erwartungserwartungen und Kommunikationsmuster reproduzieren, die sich von der westlichen Sozialkonstruktion unterscheiden.

Für die weitergehende chinesische Modernisierung ist davon auszugehen, dass sie nicht hinter ihre strukturellen Merkmale zurücktreten kann. Die Modernisierung hat die chinesische Sozialkonstruktion nicht dahingehend verändert, dass sie einen Universalismus, Rationalismus, wie er für die westlichen Gesellschaften charakteristisch ist, ausgebildet hat. Die sozialen Netzwerke als Selektionskriterium in der chinesischen Gesellschaft liefern Anschlussvoraussetzungen, die nicht ohne Weiteres zu übergehen sind. Dem westlichen Beobachter wird das erst dann klar, wenn er sich seine eigene Sozialkonstruktion verdeutlicht, die relationale und rationelle Bezüge aufweist, die einer chinesischen Sozialkonstruktion zum Beispiel in Bezug auf die Netzwerkkommunikation fremd sind. Die Veränderung der Netzwerkstrukturen ist nur durch den Wandel der Sozialkonstruktion zu erreichen. Darüber können aber die chinesischen Planer nicht ohne Weiteres disponieren.

Die chinesische Gesellschaft in der weiteren Modernisierung hat sich den Herausforderungen der Integration zu stellen. Dabei sollte man sich nicht der Illusion hingeben, dass kollektiv verbindliche Entscheidungen die Gesellschaft als Ganzes integrieren. Vor dem Hintergrund der Sozialordnung der chinesischen Gesellschaft ist bereits zu erkennen, dass die Institutionalisierung eines Wohlfahrtsstaates nach westlichem Vorbild nicht zu erreichen ist. Unabhängig davon, dass der westliche Wohlfahrtsstaat sich selbst in Auflösung befindet, waren für seine Institutionalisierung eine Vision einer Wohlfahrtsökonomie, eine Übereinstimmung der politischen Trägerschichten über diese Vision und politische Steuerungssysteme notwendig, die unter der Voraussetzung von Globalisierung so nicht mehr vorliegen. Da die chinesische Modernisierung unter anderen Voraussetzungen erfolgte, die andere gesellschaftliche Strukturen zur Folge hat, ist für den Fortgang die politische Integration anderen Anschlussproblemen unterworfen.

Das betrifft zum Beispiel die Meinungsbildung und Informationsselektion über moderne Programme, wie Twitter, Facebook oder QQ sowie die Einflussnahme durch politische Organisationen. Das politische System Chinas hat in Zukunft die Aufgabe zu lösen, die kollektive Identität und nationale Identität aufeinander abzustimmen und dabei die Pluralität von ethnischen, religiösen, regionalen, Arbeitnehmer- und Unternehmergruppen zu integrieren. Das trifft insbesondere dann zu, wenn durch den demografischen Wandel infolge der Ein-Kindpolitik, der regional unterschiedlichen ökonomischen Entwicklung, der gesundheitlichen Folgen durch die ökologische Veränderung als Resultat der veränderten Wirtschaftsstruktur und der Lebensformen die Irritationen in der gesellschaftlichen Kommunikation ansteigen.

Eine weitergehende Forschung zur chinesischen Gesellschaft hat sich den Strukturmerkmalen des politischen Systems, Wirtschaftssystems, Rechtssystems und Wissenschaftssystems, den Verbindungen der Teilsysteme der chinesischen Sozialordnung mit ihrer Selbstbeschreibung, kollektiven Identitäten, Grenzziehungen und Erwartungskonstruktionen zuzuwenden, ohne sich davon ablenken zu lassen, inwieweit eine westliche Institutionalisierung erfolgte oder noch erfolgen wird. Mit diesem veränderten Anschnitt sind die Fragen nach der Integration unter der Voraussetzung von Globalisierung und strukturellen Vorbedingungen anders zu stellen, die in dieser Arbeit dargestellten strukturellen Voraussetzungen sind zu vertiefen.

Die hybride Modernisierung der chinesischen Gesellschaft bezeichnet die Mélange aus einem westlichen und nicht-westlichen Strukturwandel. Insofern führte die funktionale Differenzierung in China zu einem anderen Ergebnis als in westlichen Gesellschaften. Die chinesische Sozialkonstruktion schwächt auch in langfristiger Perspektive die Möglichkeit einer Ausbildung eines Universalismus oder demokratisch orientierter Zentrumsbewegungen ab. Die weitere Modernisierung unter der Voraussetzung von Globalisierung wird daher in der chinesischen Gesellschaft auf andere Strukturen treffen und zu anderen fortlaufenden Veränderungen führen. Wie eine solche Veränderung im Einzelnen ausfallen mag, bleibt schwer vorherzusehen. Nur eines kann mit ziemlicher Bestimmtheit schon von dem gegenwärtigen Standpunkt erschlossen werden, dass die chinesische Modernisierung und ihr Einfluss auf die Weltgesellschaft nicht zu einer harmonischen, gerechteren und reicheren globalen Gesellschaft führen.

 
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