Kontinuierliche pädagogische Förderung der Lernkompetenz im Lebenslauf
Darstellung des Phänomens
Hinweise auf förderungswürdige Kompetenzen
Der Kern dieses Definitionsversuchs stellt die pädagogische Förderung bestimmter, für die Befähigung zum Lernen im Lebenslauf bedeutsamer Kompetenzen bei der jeweiligen Klientel der interviewten Akteurinnen und Akteure dar. Es ist hier von einem Definitionsversuch die Rede, da die Informantinnen und Informanten in der Interviewsituation auf Basis ihrer eigenen beruflichen Erfahrungen zu einem Reflexionsprozess angeleitet werden und die daraus resultierenden Aussagen eher handlungspraktischer, denn wissenschaftlich elaborierter Natur sind. Diesbezügliche Aussagen werden meist nur für das eigene berufliche Handlungsfeld formuliert, auch wenn einige Akteurinnen und Akteure auf bestimmte Kompetenzen verweisen, die über die jeweils spezifischen pädagogischen Einrichtungen der verschiedenen Bildungsbereiche hinaus gefördert werden müssten. Vergleicht man die Aussagen der Sprecher/-innen, so wird meist auf die pädagogische Förderung von Lernmotivation sowie Lernfähigkeit bzw. Lernkompetenz rekurriert, wie der folgende Textausschnitt aufzeigt [1]:
I: Mhm, ähm, was verstehen Sie unter bildungsbereichsübergreifender Umsetzung des lebenslangen Lernens?
E: Wenn (atmet aus) wir wissen aus der Forschung und wir wissen aus Erfahrungen, dass lebenslanges Lernen umso besser funktioniert, wenn es frühzeitig begonnen wird. Das heißt, also auch schon, wenn im frühkindlichen Bereich die Voraussetzungen dafür gelernt werden, das Lernen zu lernen, die entsprechenden Motivationen zu erzeugen, weiterhin neugierig zu sein, zu lernen. Und deshalb kann dieses nur über den Beginn in der frühkindlichen Erziehung, dann über die Schule und die Universität so angelegt sein, dass dieses lebenslange Lernen erfüllt werden kann. Von daher ist es absolut notwendig, sowohl mit den Bildungsbereichen, also Ressort übergreifend, aber auch eben mit anderen Bereichen, mit äh Arbeitsmarktpolitik, mit der Sozialpolitik, mit der Umweltpolitik äh, mit der Innenpolitik, also mit diesen Ressortaufgaben einer Landesregierung zusammenzuarbeiten. Das tun wir auch, wir haben Querschnitts-AGs, wo wir diese Fragestellungen gemeinsam erörtern.
(Interview-Nr. 6, Herr Becker, Bildungspolitik Länderebene, Z. 54-68)
Der Vertreter aus der Bildungspolitik beginnt seine Argumentation mit einer Behauptung. In Rekurs auf wissenschaftliche und auf Erfahrung beruhende Erkenntnisse weist der Informant auf einen seines Erachtens notwendigen, die Lernbiografie betreffenden frühen Beginn des lebenslangen Lernens hin. Er spezifiziert diese recht allgemeine Behauptung, indem er ausführt, dass bereits im frühkindlichen Alter die Voraussetzungen für das lebenslange Lernen, wie die Förderung von Lernmotivation und die Fähigkeit das Lernen zu lernen, geschaffen werden müssten. In einer abschließenden Konklusion, die die handlungspraktische Funktion einer zweigeteilten Forderung einnimmt, fordert er einerseits in Bezug auf das Erziehungsund Bildungssystem eine kontinuierliche Förderung der Lernkompetenz in den pädagogischen Einrichtungen der verschiedenen Bildungsbereiche (Kindergarten/Kindertagesstätte, Schule, Universität). Andererseits sei es vonseiten einer Landesregierung notwendig, dass die verschiedenen Ministerien auf Landesebene in Bezug auf das Thema ,lebenslanges Lernen' zusammenarbeiten. Er beendet seine Konklusion mit einer kurzen Evaluation, dass diese interministerielle Zusammenarbeit durch entsprechende Arbeitsgremien gewährleistet sei. Während die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Förderung der Lernkompetenz in der pädagogischen Praxis eine in die Zukunft gerichtete Forderung zu sein scheint, scheint die interministerielle Zusammenarbeit eine Forderung zu sein, der bereits nachgegangen wird.
In diesem Textbeispiel wendet der Interviewte die häufig im bildungspolitischen Diskurs verwendete Formel ,das Lernen des Lernens' (vgl. Europäische Kommission 2000: 13; Europäische Kommission 2001: 23; Rothe 2011: 326) an, wenn es um die Schaffung von Voraussetzungen für das lebenslange Lernen geht. Zu diesen Voraussetzungen werden Motivation, Lernkompetenz (Lernen des Lernens) sowie Steuerungskompetenz gezählt, die jeweils in der Person der Lernenden verortet sind und ein in der pädagogischen Psychologie verankertes Lernverständnis zugrunde legen (vgl. Rothe 2011: 326). Vor diesem Hintergrund wird Lernen als eine
„spezifische Tätigkeit [verstanden, C.D.], für die eine bestimmte Disposition (Motivation) vorhanden sein muss und abhängig von einem bestimmten Können ist. Mindestens drei Facetten dieses Könnens sind erkennbar, eine eher allgemeine
,Lernkompetenz' sowie die Kompetenzen, Lernprozesse zu organisieren (,Lernorganisationskompetenz') und selbst zu steuern.“ (ebd., Hervorhebungen im Original)
In der pädagogischen Psychologie wird in diesem Kontext auch von der Förderung der Metakognitionen als Grundelemente der Lernkompetenz gesprochen. Bei Metakognitionen handelt es sich um
„Kompetenzen zum Wissensmanagement sowie die Beherrschung von Lernstrategien, also Fähigkeiten zum reflexiven Umgang mit Wissen und zur bewussten Steuerung von Lernprozessen (zum Beispiel Techniken des Speicherns und Memorierens von Kenntnissen).“ (Achtenhagen & Lempert 2000: 12)
Mandl und Krause (2001) legen zunächst ihr Verständnis von Kompetenz dar, um anschließend Lernkompetenz zu definieren. ,Kompetenz' verstehen sie „als ein System von Voraussetzungen für erfolgreiches Handeln, also für Leistung“ (Mandl & Krause 2001: 7). Kompetenz beinhaltet kognitive wie auch motivationale Aspekte und kann innerhalb von Lernsituationen gefördert werden (vgl. ebd.). Vor dem Hintergrund dieses Kompetenzverständnisses kann Lernkompetenz als „die Fähigkeit zum erfolgreichen Lern-Handeln, die Fähigkeit eine Lernleistung zu erbringen“ (a.a.O.: 8) definiert werden. Da es sich bei der Lernkompetenz um eine Fähigkeit handelt, die unabhängig von bestimmten Inhalten ist, wird sie auch als Metakompetenz bezeichnet (vgl. Weinert 1999). Mandl und Krause stellen bei der Definition von Lernkompetenz drei Teilkompetenzen als bedeutend heraus: (1) Selbststeuerungskompetenz (Lernen vorbereiten, Lernhandlung durchführen, Lernen mittels Kontrollmechanismen überwachen, Lernleistungen bewerten und Motivation und Konzentration aufrechterhalten), (2) Kooperationskompetenz (kommunikative Strategien, wie z. B. gezieltes Nachfragen, Rückmeldungen geben sowie aktives Zuhören; Fähigkeit zur Interaktion, beispielsweise Formulieren und Einhalten von Spielregeln oder Strategien zur gemeinsamen Problemanalyse; teamorientierte Wertehaltungen, z. B. wertschätzender Umgang mit anderen, Verantwortungsbewusstsein oder Toleranz; Konfliktmanagementstrategien, z. B. Kontrolle der eigenen Erregung oder Herstellung von Vertrauen) sowie (3) Medienkompetenz (Mediennutzung sowohl von alten als auch neuen Medien; Informationsbewertung im Sinne von Informationen selegieren, reflektieren und bewerten; Fähigkeit zum verantwortungsvollen Umgang und zur kritischen Auseinandersetzung) (vgl. Mandl & Krause 2001: 10-14).
Der oben angeführte Interviewausschnitt verweist auf eine mögliche inhaltliche Ausrichtung der bildungsbereichsübergreifenden Umsetzung lebenslangen Lernens, nämlich die kontinuierliche Förderung der Lernmotivation und Lernkompetenz durch die pädagogischen Einrichtungen der verschiedenen Bildungsbereiche. Erläuterungen zu diesbezüglichen konkreten pädagogischen Maßnahmen werden von dem Interviewpartner nicht getätigt.
In Bezug auf personale Kompetenzen und Metakognitionen scheint in der frühkindlichen Phase auch die Förderung eines positiven Selbstkonzepts (vgl. Oerter & Montada 2008: 680) sowie die Förderung von Selbstregulation (vgl. Kanfer 1987: 286-299) bei der Klientel von Bedeutung zu sein, die es nicht nur im Kindergarten/in der Kindertagesstätte, sondern auch in der Grundschule weiter zu fördern gilt („wir meinen(') dass die Kompetenzen(') die wir verfolgen(') nicht ah innerhalb einer Institution sich entwickeln und etablieren(') sondern über die Institutionen hinweg gesehen werden müssen(.) zum Beispiel Entwickeln des Selbstkonzeptes(') es ist nicht eine Aufgabe nur des vorschulischen Alters(') sondern sie ist genauso relevant im Schulalter(') wenn ich dem Kind Selbstregulation vermittle(') kann ich das im Kindergarten tun(') ich kann es auch in der in der Grundschule oder ich mu:ss das auch in der Grundschule fortsetzen(.)“ Interview-Nr. 12, Herr Bauer, Elementarbereich, Z. 155-164). Auch bei diesem Beispiel wird eine inhaltliche Ausrichtung der pädagogischen Förderung auf personale Kompetenzen und Metakognitionen formuliert, Erläuterungen zur konkreten Umsetzung in der pädagogischen Praxis bleiben ebenfalls aus.
- [1] Hier bestehen Anknüpfungspunkte an den wissenschaftlichen Diskurs des lebenslangen Lernens in der Pädagogischen Psychologie. Beispielsweise konstatieren Mandl und Krause (2001): „Für ein lebenslanges Lernen in der Wissensgesellschaft brauchen Individuen also Lernmotivation als generelle Orientierung sowie als tätigkeitsund gegenstandsspezifisches Interesse, außerdem Vorwissen und Lernkompetenz“ (Mandl & Krause 2001: 10).