Der Beitrag der Schulen zum deutschen Bildungswesen
Obgleich sich jede Schule lokalen Bedürfnissen und länderspezifischen Rahmenbedingungen anpasst, sind konzeptionelle Überschneidungen und Gemeinsamkeiten nicht zu übersehen, nicht zuletzt deswegen, weil überall in Deutschland ähnlich gelagerte Probleme zu lösen sind. Aus diesem Grund haben die verschiedenen Schulen vor Ort diverse Projekte und Methoden entwickelt, um sowohl Kindern mit als auch ohne Migrationshintergrund einzubeziehen und zu fördern. Das übergeordnete Ziel all dieser Angebote wird in folgenden Aufgaben gesehen: die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder zu entwickeln, ihre gesellschaftliche Integration zu unterstützen sowie das selbstständige Lernen und die allgemeine Lernmotivation zu stärken. All dies verbessert ihre Aussichten auf eine solide schulische Ausbildung.
Aus den genannten Gründen darf man diese Schulen auch nicht mit klassischen nationalen Schulen im Ausland verwechseln. Diese Schulen sind keine türkischen Schulen, die einen türkischen Lehrplan verfolgen. Auch die Unterrichtssprache ist nicht Türkisch, sondern Deutsch. Mit anderen Worten, es handelt sich bei den hier beschriebenen Schulen um deutsche Schulen mit deutschen Lehrplänen, an denen Unterricht in deutscher Sprache gehalten wird. Der einzige Unterschied zu staatlichen Schulen besteht in der freien, privaten Schulträgerschaft, die wiederum den Anforderungen der Schulaufsichtsbehörden der jeweiligen Bundesländer unterliegt.
Türkisch wird in einigen dieser Schulen als Fremdsprache angeboten. In andere Schulen stellt der Türkischunterricht lediglich ein freiwilliges Angebot dar. Anstatt eines Religionsunterrichts wird in diesen Schulen mehrheitlich das Fach Ethik angeboten, das zur Vermittlung allgemeiner universeller Werte beitragen soll.
Rundgänge durch die Schulen verdeutlichen, dass Schulgebäude und -infrastruktur von den Einrichtungsgegenständen bis hin zur Ausstattung der Naturwissenschaftsräume und Bibliotheken den neuesten Standards entsprechen. In einigen Städten wurden sogar Schulgebäude neu errichtet, um bessere Bildungsangebote zu ermöglichen. Wie schon erwähnt, kommen die Konzepte der einzelnen Schulen insbesondere dem Bedürfnis berufstätiger Eltern nach Ganztagsbetreuung entgegen, weil die Kinder bis in den späten Nachmittag versorgt sind. Gerade an Gymnasien sind Ganztagsangebote nach wie vor eine Rarität. Zusätzlich bieten die Schulen Hausaufgabenbetreuung, Nachhilfeunterricht sowie Arbeitsgemeinschaften an. Projektgruppen zur Vorbereitung auf Wettbewerbe und Wissenschaftsolympiaden runden das Programm ab.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Arbeit in diesen Schulen ist die Jugendund Elternarbeit. Sozialpädagogen kümmern sich um die Schülerinnen und Schüler, auch außerhalb der Regelschulzeit, wenn Bedarf ist sogar am Wochenende. Elternseminare und Beratungsgespräche zu verschiedensten Themen rund um Bildung und Erziehung gehören ebenso zum Alltagsgeschäft dieser Schulen.
Trotz all dieser Angebote bleiben die Schulen für die Eltern bezahlbar. Da viele Schulen bereits staatlich anerkannt sind und durch die Ersatzschulfinanzierungsgesetze der Länder gefördert werden, können die Schulgelder niedrig gehalten werden. Ermäßigungen aufgrund finanzieller Notwendigkeit sind möglich, und Stipendien für besonders erfolgreiche Schülerinnen und Schüler werden ebenfalls von fast allen Schulen angeboten.
Jochen Thies (2013), ein ehemaliger Journalist und Publizist aus Berlin, hat mehrere Schulen in Deutschland besucht. Er hat sich mit den Schulleitungen und dem Lehrerkollegium, mit den Eltern und den Schülerinnen und Schülern unterhalten und seine Erfahrungen in seinem Buch Wir sind Teil dieser Gesellschaft zusammengefasst. Thies stellt fest, dass Eltern erhebliche finanzielle Mittel für die Zukunft ihrer Kinder aufbringen. Weiter berichtet Thies: „Die Kinder sind nicht allzu laut. Es gibt keinen Vandalismus, keine Sachbeschädigungen, keine Graffitis.“ (ebenda). Des Weiteren stellt er fest, dass in diesen Schulen eine hohe Selbstdisziplin herrscht und in den Schulgebäuden kein Türkisch gesprochen wird. Thies konstatiert auch, dass es eine Kluft zwischen der theoretischer Bereitschaft zum Zusammenleben und dem praktischen Schulalltag gibt, da die Anzahl der deutschen Schüler noch nicht so hoch wie gewünscht ist. Er bezeichnet diesen Umstand sogar als „Berührungsangst“ oder „Abgrenzung“. Da den Schulen durchaus mit Misstrauen begegnet wird, versteht sich Thies' Buch auch als eine Aufklärungsschrift, die diesem Misstrauen versucht entgegenzuwirken, wie in der Rezension der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zum Erscheinung des Buches zu lesen war (Köpf 2013).
Insgesamt ist festzuhalten, dass die dargestellten Schulen die Bildungslandschaft in Deutschland bereichern und zu den weitläufig bekannten kirchlichen Bildungseinrichtungen und den Waldorfoder Montessorischulen eine weitere Alternative darstellen. Geht man von der bisherigen positiven Entwicklung der Schülerzahlen und dem Bildungserfolg der Absolventen dieser Schulen (Abiturienten und Absolventen der Realschulen mit mittlerer Reife) aus, ist zu erwarten, dass auch in weiteren Städten Vereine und Schulen mit diesem alternativen Bildungsangebot entstehen werden. Dabei wird die Erfolgsquote der Schüler sicher direkten Einfluss auf die Zukunftsentwicklung und weitere Verbreitung dieser Schulen haben.