Wie beeinflussen Institutionen individuelles Verhalten?
Im „Calculus Approach“ ist eine freiwillige Normbefolgung nur dann möglich, wenn die rationalen Akteure davon überzeugt sind, dass sie durch Normkonformität mehr profitieren können als durch Normbruch und Defektion. In Konfliktfällen ist diese Bedingung jedoch häufig nicht erfüllt. Es ergeben sich Gelegenheiten für unbeobachtete Normbrüche oder die bloße Vortäuschung einer Normbefolgung. Diese Probleme verschärfen sich in der modernen Gesellschaft, die durch hohe Mobilität und Anonymität gekennzeichnet ist. Hier sind deshalb Institutionen der sozialen Kontrolle unumgänglich, die abweichendes Verhalten identifizieren und bestrafen. Normen und Regeln müssen mit verlässlichen Sanktionen verbunden werden, die eine Abschreckungswirkung zeigen.
Im Gegensatz dazu hebt der „Cultural Approach“ den Mechanismus von Tradierung und Habitualisierung hervor. Akteure neigen demnach dazu, ihr Verhalten in wiederkehrenden Situationen zu routinisieren. Diese Routinen werden von Generation zu Generation weitergegeben und schließlich für selbstverständlich gehalten, man übernimmt sie einfach und denkt kaum darüber nach, ob sie wirklich rational sind oder nicht. Selbst in unbekannten Situationen oder beim Auftauchen neuartiger Probleme werden sich Menschen in der Regel an ihren Traditionen orientieren, weil sie nur auf althergebrachte Weise denken und entscheiden können. Kulturell überlieferte Normen und Regeln setzen sich insofern weitgehend von selbst durch und individuelle Rationalität kann sich nur im Rahmen der kulturellen Gegebenheiten entfalten.
Die ökonomisch-soziologische Perspektive konzentriert sich dagegen auf die Struktur der sozialen Interaktionen, sie prägen – etwa durch die menschliche Empfänglichkeit für soziale Anerkennung und Missbilligung – menschliches Verhalten wirksamer und nachhaltiger als formelle Institutionen sozialer Kontrolle. Wechselseitige Überwachungen und Sanktionen werden durch intensive soziale Interaktionen ermöglicht. Auch in der modernen Gesellschaft bettet sich der Mensch in stabile soziale Beziehungen unterschiedlichen Zuschnitts ein – wie Nachbarn, Freunde, Kollegen, Vereine usw. In solchen Kleingruppen werden Normen und Regeln spontan entstehen und durchgesetzt und sind die Grundlage für den institutionellen Rahmen der gesamten Gesellschaft.
Die Unterschiede zwischen den Menschenbildern führen schließlich auch zu unterschiedlichen Sichtweisen auf die Dynamik der Institutionenentwicklung.