Der Einfluss des Konfuzianismus auf Gewalt gegen Kinder
Die Kultur in den jeweiligen Ländern ist mit den gesellschaftlichen Phänomenen eng verbunden. Alle gesellschaftlichen Ereignisse sowie soziale Einstellungen oder soziale Bräuche sind abhängig von der Kultur und beeinflussen so das Leben der Menschen. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass bestimmte Begriffe sich jedoch nur schwer ins Deutsche übersetzen lassen, da sie auf einem anderen philosophischen und gesellschaftshistorischen Verständnis basieren.
Die Werte der traditionellen koreanischen Gesellschaft und Familie werden von den konfuzianistischen Lehren bestimmt. Basierend auf konfuzianistischen Lehren entwickelte sich die Familie als wichtigste und maßgebende autonome Einheit innerhalb der Gesellschaft. Dieses Wertesystem der Joseon-Dynastie (1392-1910) prägt bis heute die koreanische Gesellschaft. Dies hat sich nicht nur auf den fleißigen menschlichen Geist ausgewirkt, sondern auch eine relativ gehorsame systematische Gesellschaft gebildet, z.B. entwickelte sich hieraus die Konsequenz, je nach Alter, der Zwang zum absoluten Gehorsam in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern als senkrechte Subordination. [2] In der gegenwärtigen Zeit könnte dies eine der Ursachen der Dysfunktion zwischen Familie und Gesellschaft sein. Beispielweise wird die Gewalt gegen Kinder lediglich als Angelegenheit innerhalb der Familie angesehen. Die Gesellschaft, der Zwang zu Gehorsam und die Unabhängigkeit der Familie dominiert und toleriert auch körperliche Züchtigung und Gewalt gegen Kinder. Dies ist sicherlich ein Grund des sozialen Problems in der gegenwärtigen Zeit. Lee stellte in seiner Forschung fest, dass die konfuzianistischen Werte Einfluss auf die Gewalt gegen Kinder haben.
„Der Grund dafür, dass in Südkorea lange Zeit die Gewalt gegen Kinder als kein soziales Problem angesehen wurde, erklärt sich dadurch, dass Züchtigung als eine erlaubte Methode zur Erziehung galt (Gesellschaftlich geduldet und praktiziert) und der betonte Zusammenhalt bzw. Autonomie der familiären kulturellen Traditionen in der koreanischen Gesellschaft stark ausgeprägt war. (...) Der Konfuzianistische Hauptwert, der in der koreanischen Gesellschaft lange Zeit auf dem philosophischen Grund für die Kinderbetreuung und der sozialen Beziehungen basierte, wurde desshalb Familienzentriert entwickelt und die Gewalt gegen ein Kind als Angelegenheit innerhalb der Familien angesehen. Die Gesellschaft ließ und lässt auch noch heute kaum Raum um ein einschreiten zum Schutz der Kinder zu ermöglichen.“ [3]
Der Wille des Staates, auf die Frage von Gewalt gegen Kinder Einfluss zu nehmen, erzeugte Konflikte. Diese Haltung gegenüber dem Eingreifen durch den Staat auf dieses Problem ist auf die konfuzianistische Haltung zurückzuführen:
„durch das Wertesystem des Konfuzianismus wird jeder Koreaner, egal welcher sonstigen Religion er angehört, mehr oder weniger durch Konfuzianismus beeinflusst. Seine Verhaltensweisen und die gesamte gesellschaftliche Moral sind vom Konfuzianismus geleitet. Der Konfuzianismus prägt die soziokulturellen Verhältnisse in Korea. D.h. dass die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Organisationskultur sich unter streng konfuzianistischem Einfluss entwickelt haben. Es gibt einen einfachen Grund für die wichtige Rolle, die der Konfuzianismus für die individuellen und sozialen Moralvorstellungen noch im heutigen Korea spielt. Die veralteten Denkweisen ändern sich nicht so schnell, so dass auch heute noch jeder Tag von konfuzianistischen Einflüssen geprägt ist.“ [4]
Mit der Verabschiedung des KWG im Jahr 2000 wurden Interventionsmöglichkeiten und Strafmaßnahmen gegen Gewalt an Kindern verschärft. Dennoch besitzen die Eltern den Anspruch, dass ihre Autonomie und ihre subjektive Position ernst genommen werden soll. In diesem Spannungsfeld zwischen der elterlichen Autonomie und dem staatlichen Zwang entstanden Konflikte. Wird von den Eltern Gewalt gegen Kinder ausgeübt, muss abgewägt werden, ob entweder die elterliche Würde und Autonomie respektiert werden soll oder die Einschaltung der KSZ gegen den Willen der Eltern erfolgt. Zurzeit steht die gesellschaftliche Verantwortung beim Thema Gewalt gegen Kinder und Kindeswohlgefährdung stärker im Fokus der Öffentlichkeit. Infolgedessen gewinnt in der koreanischen Gesellschaft die staatliche Beeinflussung der Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der Familien an Bedeutung. Im Selbstverständnis der Eltern ist die Autonomie der Familie noch stark verankert, weshalb sie mit dem staatlichen Zwang in einen Konflikt gerät.
- [1] Die Philosophie Konfuzius hat seit der Gründung Chinas eine kontinuierliche Entwicklung genommen, sie war eine Hauptlinie des traditionellen chinesischen Denkens und hatte auf Politik und Gesellschaft erhebliche Einflüsse. Allerdings entwickelten sich im Verlauf der Entwicklung der konfuzianistischen Lehre im Zuge theoretischer Auseinandersetzungen Glaubensrichtungen und Sekten, Orthodoxien und Heterodoxien. Später nahm die konfuzianistische Lehre buddhistische und taoistische Elemente auf und integrierte sie in ihr Lehrgebäude. Lee, Z., 2003. Normative Rahmenbedingungen in Korea. Berlin, S. 29
- [2] Es gibt laut Konfuzius 5 wichtige Sozialbeziehungen: Vater-Sohn, Herr-Untertan, Mann-Frau, älterer-jüngerer Bruder, Freund-Freund, Wimmer, F., der klassische Konfuzianismus und die Idee der Menschenrechte. sammel-punkt.philo.at: 8080/896/1/se0102-arbhagn.pdf: 12.12.2013. S.
- [3] Lee, B., 2005. Child Protection System Korea Dilemma-Reported. research and service functions, role conflict between. Seoul, S. 8
- [4] Choi, J., 2004. Die Religion in der koreanischen Gesellschaft. In: Chei, W. (Hrsg.), Aspekte der koreanischen Kultur und Gesellschaft. Seoul, S. 47-54