Hindernisse und Verwirklichung (IX 5, 7)

Ist die Aktualitätsbedingung hinreichend?

Ambiguitäten

Eine Frage ist im letzten Kapitel offen geblieben: Wenn die Aktualitätsbedingung von (M) nicht notwendig ist für eine Vermögenszuschreibung, ist sie dann wenigstens eine hinreichende Bedingung? Hat nicht alles, was zu t F-t oder F ist, zu t auch das Vermögen zu F-en oder F zu sein? Mit der ursprünglichen Tupelnotation würde diese Vermutung durch die Formel ausgedrückt:

(H1) F(x, t) É (dyn F)(x, t)

Wenn diese Formel aber in die anschließend eingeführte Indexnotation übersetzt werden soll, dann stoßen wir auf ein Problem: Das t in (H1) gibt in beiden seinen Vorkommnissen eine An-Zeitstelle an. Die Für-Zeitstelle kommt in der Tupelnotation (bisher) nicht vor. Ein Ergebnis der Polemik mit den Megarikern war ja gerade die Unerläßlichkeit dieser Unterscheidung von An- und Für-Zeitstelle, und das Fehlen einer Ausdrucksmöglichkeit einer von der An-Zeitstelle verschiedenen Für-Zeitstelle war es, warum ich die Indexnotation an Stelle der Tupelnotation eingeführt habe. Wenn wir (H1) also in die Indexnotation überführen wollen, müssen wir uns entscheiden, was der FürZeitpunkt sein soll. Soll die Für-Zeitstelle nun ebenfalls t sein, oder eine von t verschiedene Zeitstelle? Wenn t, dann ist (H3) die zu diskutierende These. Wenn die Für-Zeitstelle von t verschieden ist, liegt sie entweder vor oder nach t; entsprechend sind (H2) und (H4) die zu diskutierenden Thesen:

(H2) Ft x É dynt Ft* x, mit t* < t (H3) Ft x É dynt Ft x

(H4) Ft x É dynt Ft* x, mit t < t*

Jede dieser drei Thesen entspricht einer Form eines Schlusses ab esse ad posse. Schon die Existenz dieser drei verschiedenen Formen zeigt, daß es mit dem ab esse ad posse für Vermögensaussagen nicht so einfach steht wie für die Modalität der Möglichkeit, wenn sie auf zeitlose Propositionen bezogen wird.

Dann nämlich besteht überhaupt nicht die Notwendigkeit, zwischen verschiedenen Zeitzonen zu unterscheiden.

Für die Megariker ist die Sache auch bei den Vermögen klar: Für sie ist der Für-Zeitpunkt identisch mit dem An-Zeitpunkt und die Verwirklichung zu diesem Zeitpunkt hinreichend für das Vorliegen des Vermögens. Die Megariker behaupten also (H3), was ja eine direkte Folge von (M) ist. Aristoteles ist nun nicht auf die Identität von An- und Für-Zeitpunkt festgelegt. Welche Position bezieht er zu diesen drei Aussagen (H2) bis (H4)?

 
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